Interview Waffenexperte: „Ein Grenzrisiko gibt es immer“
Nach dem Familiendrama in Heerdt ist die Debatte um das Waffenrecht neu entfacht worden. Die WZ sprach mit Fachmann Hans Scholzen.
Düsseldorf. Vor drei Tagen hat eine 44-jährige Frau auf ihre Tochter geschossen und anschließend sich selbst getötet. Die Frau war Sportschützin und im Besitz einer kleinkalibrigen Sportpistole, die sie im Tresor aufbewahrte. Insgesamt sind rund 4000 Sportwaffen in Düsseldorf registriert. Die WZ sprach mit Hans Scholzen, Vorsitzender des Verbandes für Waffentechnik und -geschichte Düsseldorf, über Voraussetzungen für den Besitz von Waffen.
Herr Scholzen, wie wird man Sportschütze?
Scholzen: Jemand wird Sportschütze, indem er Mitglied in einem Sportschützenverein wird und mindestens ein Jahr lang trainiert, also seine Sachkunde unter Beweis stellt. Danach muss der Schütze einen Antrag stellen, um eine so genannte Waffenbesitzkarte zu erhalten. Bei diesem Antrag wird die Zuverlässigkeit des Sportschützen überprüft — unter anderem, ob er vorbestraft ist.
Ist auch ein psychologisches Gutachten erforderlich?
Scholzen: Um kleinkalibrige Waffen zu besitzen, bedarf es keines psychologischen Gutachtens. Bei Großkaliber-Waffe wird bei unter 25-Jährigen ein psychologisches Gutachten gefordert. Ein psychologisches Gutachten wird ansonsten nur erforderlich, wenn gemeldet wird, dass ein Sportschütze unter Depressionen, Abhängigkeiten leidet oder andere Auffälligkeiten bestehen.
Welche Vorschriften gibt es bei der Aufbewahrung einer Waffe im Privatbesitz?
Scholzen: Seit 2003, also nach dem Amoklauf in Erfurt, gelten genaue Vorschriften, wie Waffen zu Hause aufbewahrt werden müssen. Heute müssen Kurzwaffen, also Pistolen und Revolver, in einem Stahlschrank der Sicherheitsstufe B, das heißt einem höherwertigen Tresor, aufbewahrt werden. Für Langwaffen bedarf es einer noch niedrigeren Sicherheitsstufe des Schrankes. Die Munition muss in einem separaten abschließbaren Stahlblechbehältnis gelagert werden.
Wer kontrolliert das?
Scholzen: Seit 2008, nach Winnenden, gibt es die anlasslose Begehmöglichkeit der Waffenbehörde. Diese darf also jederzeit Sportschützen überprüfen. Kontrollen werden aber kaum gemacht. Es gibt allein in NRW 180 000 legale Waffenbesitzer und eine Million registrierte Waffen. Es fehlt das Personal, um da hinterherzukommen.
Die Politik fordert, Waffen zentral unterzubringen, um damit Amokläufe zu verhindern. Ist das eine Alternative?
Scholzen: Ganz klar: Nein. Müssten die Waffen aller Schützen in einem Vereinsheim aufbewahrt werden anstatt bei jedem privat zu Hause, ist man schnell bei 500 Waffen pro Vereinsheim. Dann hat man Fort Knox im Schützenheim, eine Sicherheitszone, die sich kein Verein finanziell leisten kann. Und: Jeder, der illegal an Waffen kommen möchte, weiß genau, wo er sie finden kann.
Sollte auch für den Erwerb kleinkalibriger Waffen ein psychologisches Gutachten erforderlich sein?
Scholzen: Nein. Es ist illusorisch, alles regeln zu wollen. Ein Grenzrisiko gibt es immer, letztlich verhindern lässt sich so ein Amoklauf nie. Ein Autofahrer, der in eine Traube von Menschen fährt, wird ja auch beim Erwerb des Führerscheins keinem psychologischen Test unterzogen.