Wie das Atom die CDU spaltet

Das Vorgehen der Parteiführung geht der Basis zu schnell.

Düsseldorf. Peter Josef Kleefisch ist 65 Jahre alt und seit 42 Jahren CDU-Mitglied. Noch vor zwei Monaten war der Düsseldorfer für die Laufzeitverlängerung bei deutschen Atomkraftwerken, heute ist er anderer Meinung: „Damals hatten wir das Grauen noch nicht vor Augen.“

Thomas Jarzombek ist 38 Jahre alt und hat im Oktober vergangenen Jahres als Mitglied des Bundestages für die Änderung des Atomgesetzes gestimmt. „Jetzt bewerte ich die Dinge anders“, sagt er heute.

Selten hat eine Partei ihre politischen Überzeugungen so radikal korrigiert wie die CDU nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Gerade noch hielt sie die Atomkraftwerke für die nächsten 25 Jahre für unabkömmlich, nun will die Parteiführung so schnell wie möglich raus aus der Kernenergie.

Zu schnell geht das jedoch den CDU-Mitgliedern und -Politikern in Düsseldorf, wie am Dienstagabend beim ersten Energieforum des Kreisverbandes in der Handwerkskammer deutlich wurde. Das Atom spaltet offenbar Basis und Führung. Bei einer derart harten Kursänderung verliert mancher den Anschluss.

„Ich finde es sehr schwierig, mir einen Überblick zu verschaffen“, sagt zum Beispiel Gisela von Versen (70) vom Ortsverband Grafenberg. Auch sie sei natürlich langfristig für den Ausstieg, aber bitte mit Augenmaß. So sieht das auch Dachdeckermeister Stefan Golißa (32).

„Der Ausstieg muss bezahlbar sein, also müssen wir einen Mittelweg finden.“ Und so erntet Greenpeace-Expertin Anike Peters selbstverständlich ablehnendes Gegrummel aus dem Publikum, wenn sie auf dem Podium ausführt, dass ein Ausstieg in vier Jahren möglich sei.

Mit ihrer Überzeugung scheint sie tatsächlich allein im Saal zu sein. Kein Wunder, wenn Herbert Reul, für die CDU Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie im Europaparlament, selbst dem Vorgehen der Bundesregierung „verrückte Hektik“ unterstellt.

Er bezweifle, dass von Atomkraftwerken in Deutschland eine große Gefahr ausgehe, denn dann müsse man sie alle sofort abschalten. Zudem warnte er vor Abhängigkeiten von Energieimporten. Man müsse deshalb weiterhin auf einen Energie-Mix setzen.

Und Thomas Jarzombek stellte ergänzend als Moderator des Forums die Frage, was es einer Großstadt wie Düsseldorf an Sicherheit bringen würde, wenn in Deutschland alle Atomkraftwerke abgeschaltet würden, es aber weiterhin im Umkreis von 200 Kilometern in Frankreich, Belgien und den Niederlanden insgesamt vier Atomkraftwerke gebe?

Zentrales Problem für den schnellen Ausstieg sei jedoch, dass der Ausbau der Netze Zeit brauche, wie unter anderem Thomas Kemper, Generalbevollmächtigter der Stadtwerke Düsseldorf, ausführte. 3.000 Kilometer neue Hochspannungsleitungen würden in Deutschland noch fehlen.