Podiumsdiskussion im Maxhaus Wie geht Düsseldorf mit Armut um?

Düsseldorf · Wie trifft die Krise Düsseldorf? Im Maxhaus wurde über Armut diskutiert – unter anderem mit Oberbürgermeister Stephan Keller. Der kündigte an, er wolle „Masse machen beim öffentlich geförderten Wohnraum“.

Anne van Rießen (HSD), Julia von Lindern (Fiftyfifty), Natalie Schneider (Caritas), Pater Wolfgang und Moderatorin Melanie Wielens (v.l.) im Maxhaus

Foto: Anne Orthen (orth)

Pater Wolfgang Sieffert hat eine Vision: ein Düsseldorf, in dem es keine Armenküche mehr gibt, eine Gesellschaft, die ihren Reichtum so einsetzt, dass niemand mehr unter Brücken schlafen muss, in einer kalten Wohnung sitzt oder seit Jahrzehnten nicht mehr im Kommödchen war, obwohl er in einem früheren Leben dort einmal Stammgast war.

Doch wie kann eine Vision von einer gerechteren Gesellschaft Wirklichkeit werden in einem Moment, in dem Gas- und Stromrechnungen sich verdrei- oder vervierfachen. Und in dem auch die Mittelschicht offen über ihre Angst spricht, irgendwann arm zu sein? Nach Antworten suchten im Maxhaus neben Pater Wolfgang die Hochschul-Lehrerin Anne van Rießen, Julia von Lindern (Fiftyfifty/Housing First), Natalie Schneider (Caritas) und – im ersten Teil der Veranstaltung – Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU).

Der Rathaus-Chef war es denn auch, der sich mit der Frage auseinandersetzen musste, was jenseits des großen Rades, das in Berlin gedreht wird, vor Ort in Düsseldorf konkret getan werden kann. Spannend war das, weil es neben den ganz großen Linien eben auch um so konkrete Fragen wie bezahlbaren Wohnraum, ein mögliches Billig-Ticket der Rheinbahn und den Aufschub von womöglich sehr hohen Nachzahlungen an die Stadtwerke ging.

Beim Wohnraum war dem Rathauschef die Verärgerung über die Investoren, „die große Flächen kaufen, aber dann alles andere vorhaben, als dort Wohnungen zu bauen“, anzumerken. Bezahlbarer Wohnraum sei in Düsseldorf ein wichtiger Baustein, um Armut zu verhindern. Rund 5000 Wohneinheiten seien aktuell in der Pipeline. „Diejenigen, die dort Eigentum haben, müssen wir zwingen, tatsächlich auch Wohnungen zu bauen.“ Den Bürgern werde zudem helfen, dass künftig die Hälfte der neu gebauten Wohnungen in das preisregulierte Segment falle. „Vor allem müssen wir Masse machen beim öffentlich geförderten Wohnraum“, betonte Keller. Sozialwohnungen seien letztlich praktikabler als das ebenfalls im Handlungskonzept Wohnen stehende preisgedämpfte Segment, das auf Menschen ziele, deren Einkommen knapp über den Grenzen für den Bezug von Sozialleistungen lägen. „Eine Reihe von Wohnungsunternehmen gehen da nicht wirklich mit.“

Natalie Schneider, die bei der Caritas die Bereiche Senioren und Integration verantwortet, berichtete, dass in den Beratungsstellen neben den Themen Wohnen und Energie derzeit eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets die Gespräche dominiere. „Bonn und Heidelberg preschen vor, was kann Düsseldorf beim Verkehr konkret tun?“, fragte Sozialarbeiterin Julia von Lindern. Flankiert von Gästen im Publikum, die ebenfalls wissen wollten, was denn die Rheinbahn auf den Weg bringen werde. Doch Keller („nun schauen mich alle erwartungsvoll an und hoffen, dass ich eine Art 9-Euro-Ticket für Düsseldorf verkünde“) blieb hier zurückhaltend. Ein Alleingang der Rheinbahn sei angesichts der Verkehrsverbünde in der Region schwer vorstellbar. „Wir werden darüber nachdenken und ich nehme das Thema mal mit“, sagte er. Gegen eine Verbilligung des Nahverkehrs für alle sprach sich Pater Wolfgang aus. „Meine Mutter ist 93, hat eine gute Rente und sagt klipp und klar, dass sie derartige Vergünstigen nicht braucht.“ Nicht jeder müsse günstig fahren können, für die Armen sei es aber existenziell.

Für die Bundesebene forderte der Dominikanerpater, „Reiche und Super-Reiche“ stärker zu besteuern. Es entspreche letztlich dem Gedanken der katholischen Soziallehre, die besonders Wohlhabenden stärker in die Pflicht zu nehmen. „Es sollte eben nicht nur darum gehen, dass einige ihre Ferraris auf den überwiegend von anderen bezahlten Straßen bewegen können.“

Breiten Raum nahm das Thema ein, wie jenen zu helfen ist, die ihre Energierechnung womöglich schon bald nicht mehr zahlen können. „Wir dürfen uns nichts vormachen, es wird am Ende viele solcher Fälle geben“, stellte Keller fest. Pauschale Zuwendungen der Stadt an zuvor definierte Gruppen mit prekärer Einkommenssituation lehnte er aber ab. Damit wäre selbst eine reiche Stadt wie Düsseldorf am Ende überfordert. „Wir müssen auf den Einzelnen schauen, jeweils individuelle und passgenaue Angebote unterbreiten und daran auch die Stadtgesellschaft und Einrichtungen wie die Bürgerstiftung beteiligen.“ Auch die Stadtwerke werde man an dieser Stelle einbinden. Auf der anderen Seite dürfe es keine Fehlanreize für Menschen geben, die eigentlich ihre Strom- und Gasrechnungen noch bezahlen könnten. Das sah auch Pater Wolfgang so: „Es sollte eine Clearing-Stelle geben, die prüft, wer bei der Energierechnung tatsächlich einen Aufschub braucht.“

(jj)