Geschichte Wie ein Arbeiterführer ins Schloss Kalkum kam

Düsseldorf · Die Gedenkstätte für Ferdinand Lassalle bringt viele Spaziergänger zum Grübeln. Dahinter steckt eine berühmte Liebesgeschichte.

 Das Schloss Kalkum steht nach dem Auszug des Landesarchivs leer. Der Park ist geöffnet.

Das Schloss Kalkum steht nach dem Auszug des Landesarchivs leer. Der Park ist geöffnet.

Foto: picture alliance / Rolf Vennenbernd/Rolf Vennenbernd

So mancher, der durch den herrlichen Park von Schloss Kalkum spaziert, bleibt vor dem kleinen rosafarbenen Turm an der Mauer stehen. Denn dort befindet sich eine Gedenkstätte. Nicht etwa für einen hochherrschaftlichen Bewohner der Grafen von Hatzfeld, sondern für Ferdinand Lassalle. Der wurde im Jahr 1863 Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, aus dem später die SPD hervor ging. Als „Denker, Kämpfer, Organisator“ wird der Gründervater der Sozialdemokraten auf der schwarzen Marmorplatte gewürdigt, die man noch deutlich besser sehen würde, wenn die Scheiben der Eingangstür manchmal geputzt würden.  Vielleicht passiert das ja noch bis zum 1. Mai. An dem Tag wollen SPD-Mitglieder  aus dem Düsseldorfer Norden Lassalle mit einem Blumenstrauß würdigen. Aber wie kommt die Gedenkstätte eines Arbeiterführers ausgerechnet in das Wasserschloss? Dahinter steckt eine bittersüße Liebesgeschichte, von der vieles allerdings das Geheimnis der beiden Protagonisten blieb.

Die Begegnung mit der Gräfin
Hatzfeld prägte sein Leben

Fest steht, dass Lassalle ein streitbarer Geist war. Bereits als 15-Jähriger beschrieb der in Breslau geborene Sohn eines jüdischen Seidenhändlers  Deutschland als „einen großen Kerker mit Menschen, deren Rechte von Tyrannen mit Füßen getreten werden.“ Starke Worte sollten Lassalle sein Leben lang begleiten und ihn zu einem der herausragenden Führer der Arbeiterbewegung machen.

Prägend für sein Wirken sollte seine Begegnung mit Sophie von Hatzfeld sein, die Lassalle mit 20 Jahren in Berlin kennen lernte. Die doppelt so alte Adelige, die später als „rote Gräfin“ in die Geschichtsbücher eingehen sollte, war 1822 mit dem Grafen von Hatzfeld, dem Herrn von Schloss Kalkum, zwangsverheiratet worden. Sie suchte nach Wegen, die unglückliche Ehe zu beenden. Der junge Lassalle, der intensiv Rechtswissenschaften studiert  hatte, nahm sich des Falls an.

Von da an widersprechen sich die Chronisten. Während  in Lassalles Biographie davon die Rede ist, dass er neun Jahre lang vor 36 Gerichten für die Gräfin stritt, heißt es bei Sophie von Hatzfeld, dass man von 1846  bis 1854 vor sechs Gerichten prozessierte. Unstrittig ist, dass Lassalle in dem spektakulären Verfahren, das überregional für Aufsehen sorgte, am Ende triumphierte. Aus Dankbarkeit setzte die Gräfin für ihn eine lebenslange Rente aus, die  es Lassalle ermöglichte,  ein sorgenfreies Leben zu führen und sich seinem revolutionären Gedankengut zu widmen.

Ein Geheimnis des Paares blieb auch, wie innig das Verhältnis der beiden war. Während in der Biographie der Gräfin von Lassalle als ihrem Lebensgefährten gesprochen wird, berichten die Chronisten des Arbeiterführers, dass nicht bekannt sei, ob er eine Liebesbeziehung zu der Adeligen hatte. Fest steht, dass Lassalle ab 1856 zwei Jahre lang im Haus von Sophie von Hatzfeld an der Friedrichstraße wohnte. Dort befindet sich ebenfalls eine Gedenktafel für den Ur-Sozialdemokraten.

Mehrere Jahre lang war Düsseldorf Lebensmittelpunkt des Arbeiterführers. Eine seiner berühmtesten Reden hielt Lasalle im September 1848 auf den Neusser Rheinwiesen vor rund 10 000 Zuhörern. Seinen letzten großen Auftritt hatte Lassalle am 22. Mai 1864 im heutigen Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf, der als Hochburg der Arbeiterbewegung galt. Damals sollen ihm 2000 der insgesamt 8200 Einwohner zugehört haben.

Das Leben Lassalles
endete tragisch

Kurz danach sollte das Leben Lassalles auf ein tragisches Ende zusteuern. Denn so innig sein Verhältnis zu Sophie von Hatzfeld auch gewesen sein mag. Er verschenkte sein Herz noch einmal, diesmal an die junge Helene von Dönniges, die er auch heiraten wollte. Doch deren Eltern wollten das auf jeden Fall verhindern. Der verliebte Lassalle, der selbst Mitglied einer Burschenschaft war, ging zum Frontalangriff über und forderte von dem Vater seiner Herzdame Satisfaktion. Das bedeutete damals ein Duell mit Pistolen.

Zu dem Showdown, der am Morgen des 28. August 1864 im Genfer Vorort Carpouge stattfand, trat Helenes Vater aber nicht selbst an. Er schickte stattdessen den Verlobten ins Duell, den er für seine Tochter auserkoren hatte. Der feuerte als Erster und traf Lassalle in den Unterleib. Drei Tage später starb er an den Folgen der Verletzung im Alter von nur 39 Jahren.

Sophie von Hatzfeld fühlte sich als geistige Erbin ihres Freundes, veröffentlichte seine Schriften und gründete sogar noch einen Lassalle’schen Arbeiterverein. Doch schon bald zog sie sich frustriert aus der Politik zurück. Übrig blieb die Gedenkstätte auf dem Kalkumer Schloss, in dem die SPD  auch viele Jahre lang ihre Neujahrsempfänge veranstaltete.

Die Gedenkstätte soll bald
wieder aufgehübscht werden

Der Zustand des rosa Türmchens ist den Sozialdemokraten seit langem ein Dorn im Auge. „Wir haben uns vor einigen Jahren darum bemüht, mit dem BLB einen Vertrag über die Pflege zu machen. Der ist aber leider nicht zustande gekommen“, sagt Bezirksvertreter Klaus-Dieter Horne, der einen neuen politischen Anlauf  starten will, um die Gedenkstätte aufzuhübschen: „Vor allen drinnen ist das dringend notwendig. Das sieht fürchterlich aus.“