Wie viel Realität verträgt die Wahl?
Kaum hängen die Plakate, setzt es Kritik. Die einen stören sich an Provokationen, anderen fehlt es an Authentizität.
Düsseldorf. Geht es nach dem Wörterbuch, hat Düsseldorfs CDU ein Problem — ihr fehlt ein Bindestrich. „Sie verlassen den schuldenfreien Sektor“ haben die Christdemokraten auf ein Wahlplakat drucken lassen und es an vielen Ortsausgangsstraßen platziert. „Für Düsseldorf, für Dirk Elbers“ ist im Weiteren darauf zu lesen und eine englische Übersetzung, der aber jener Bindestrich fehlt, der aus Schulden (englisch: debts) und frei (free), erst die Schuldenfreiheit machen würde. So steht die Schuld allein da.
Die politische Konkurrenz stört sich aber nicht wegen grammatischer Kapriolen daran. Es sind die Erinnerungen an das geteilte Berlin, die der SPD Schmerzen bereiten. „Das ist keine coole Aktion, sondern blamabel“, findet Parteichef und Bundestagsabgeordneter Andreas Rimkus. „Da wird Wahlkampf mit Ängsten gemacht.“
Der CDU ist die Assoziation zum ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie bewusst. „Wir wollen provozieren“, sagt Kreisgeschäftsführer Bernhard Herzog. „Spitzen gehören nun mal dazu — genau so wie Positives. Und das ist nun mal die Schuldenfreiheit.“ Am Ortsübergang zu Monheim verzichtete die CDU auf solche Plakate — die Stadt rühmt sich wie Düsseldorf der Schuldenfreiheit.
Wobei es mit der Freiheit im Wahlkampf und der Grammatik so eine Sache ist. Ein Plakat der CDU zeigt Oberbürgermeister Dirk Elbers vor älteren Menschen im Park. Das Motiv gibt es so in Düsseldorf nicht. Elbers ist mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms vor den Hintergrund montiert worden. Dieser stammt von einer US-Fotoagentur.
Einen Mann auf dem Ursprungsbild hat die Werbeagentur der CDU aber gegen eine Frau ausgetauscht. „Keine Manipulation, sondern eine Photoshop-Arbeit“, findet Stefan Freier, Geschäftsführer der Agentur „Permanent.Wirtschaftsförderung“. „Das ist eine gestellte Situation, da ist der Hintergrund nicht so sehr entscheidend“, sagt Freier. „Es ist sehr schwer, solch ein Motiv zu stellen.“
Frank Überall, Medien- und Politikwissenschaftler an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln und Berlin), sieht das anders: „Spielt in Düsseldorfer Parks niemand Schach?“, fragt er. „Die Motivwahl spricht nicht für eine emotional geführte, auf eine Kommune zugeschnittene Kampagne.“
Authentischer sei es, vorhandene Eindrücke der eigenen Stadt im Bild zu verarbeiten. „Daran müssen sich die Bewerber messen lassen: Wenn sie einen inszeniert-bürokratischen Politikstil bevorzugen, sind bildliche Retortenmotive das Mittel der Wahl. Wer sich als regional verwurzelter, bürgernaher ,Macher’ präsentieren will, setzt kaum auf beliebig komponierte Musterbild-Elemente.“
Wobei Authentizität ihre Tücken hat: Der plakattaugliche Radschlag des SPD-Kandidaten Thomas Geisel ist nach dessen Aussage im Südpark entstanden. Bei „Spiegel-Online“ landet das Motiv dennoch in einer Bildergalerie zu „missglückter Wahlwerbung“. Geisel vermutet, dass dem „Spiegel“ der heimatkundliche Hintergrund des Radschlägers fehlt.
An grammatikalischem Hintergrund fehlt es wiederum bei den Freien Wählern. Die überraschen auf ihren Plakaten mit einem sinnfreien Apostroph — und zwar im Wort „Kita’s“. Obwohl es sich um den simplen Plural von Kita handelt, der keinerlei Zusatzstrich braucht.