Wilhelm-Marx-Haus: Ein rotes Wort leuchtet in der Nacht

Über den Dächern der Altstadt: das Wilhelm-Marx-Haus ist eines ältesten deutschen Hochhäuser. Der Stahlhof erstaunt durch seinen Turm.

Klaus Klaassen kennt das Wilhelm-Marx-Haus wie seine Westentasche — auch die leuchtende Persil-Werbung auf dem Dach.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Es galt bei Fertigstellung als höchstes Eisenbetonbauwerk in Europa und eines der ersten deutschen Hochhäuser überhaupt — und es steht noch heute, am Rande der Altstadt, an der Heinrich-Heine-Allee: das Wilhelm-Marx-Haus. Doch nicht das Haus an sich ist das, was bekannt ist, dem sein Ruf voraus eilt — es ist vielmehr das, was sich auf seinem Dach befindet.

Nachts leuchten die Schriftzüge auf dem Marx-Haus, hoch über der Altstadt.

Foto: Sergej Lepke

Nur bei Dunkelheit tritt es zum Tage, leuchtet in feurigem Rot über der Stadt. Bei Tag aber schlummert es verborgen hinter den Mauern des Hauses, ist für keine Menschenseele sichtbar. Der Aufzug führt Klaus Klaassen vom Foyer des Hauses aus in die 10. Etage, weiter geht es auf diesem Weg nicht — nur eine weiße Treppe führt noch weiter hinauf zu einer weiteren Etage.

Tagsüber lagern die Schriftzüge verborgen hinter den Mauern des Hauses.

Foto: Sergej Lepke
Über den Dächern der Stadt: Das Wilhelm-Marx-Haus
42 Bilder

Über den Dächern der Stadt: Das Wilhelm-Marx-Haus

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Von dort führt eine weitere kleine schmale Holztreppe zu einem alten verstaubten Dachboden, sie führt auf das Dach. Es ist windig und es ist nass dort oben, Pfützen vom vergangenen Regen stehen auf dem Boden des Daches, Drähte des Blitzableiters sind hier verlegt. Klaassen muss sich seinen Weg erst suchen, immer wieder versperren Kästen mit Haustechnik den Weg, immer wieder sind Kabel über das Dach gespannt und immer wieder sind Stahlträger quer verbaut.

Die das Dach umgebenden Mauern sind von feiner Architektur, haben Aussparungen und Lücken. Ein zartes Pflänzchen wächst in einer Ritze zwischen den roten Ziegelsteinen. Hinter der filigranen Fassade verbergen sich, auf jeder Seite einer, die vier roten Persil-Schriftzüge. Sie sind groß und massiv, von unten scheinen sie jedoch oft filigran zu sein.

Bei Tage lagern die Schriftzüge verborgen hinter den Mauern, erst mit der Dämmerung werden die auf einer Art Hebebühne stehenden Buchstaben hinaufgefahren, werden so von unten sichtbar. „Es gehört zur Architektur des Hauses, dass die Hochhausspitze tagsüber werbefrei ist“, sagt Klaassen. Es knarrt ein wenig, wenn die Hebebühne anläuft, langsam werden die Schriftzüge synchron hinaufgehoben. Schon während des Hochfahrens beginnen die einzelnen Glasröhren der Leuchtfläche zu leuchten, sind die Werbeflächen ganz oben angekommen, leuchten sie alle gemeinsam — und erhellen den Nachthimmel über dem Heinrich-Heine-Platz in feurigem Rot.

Die Farbe der Werbung hat im Laufe der Jahre jedoch variiert, nicht immer warb Henkel in roter Schrift für sein Waschmittel. 2007 quittierte die damals schon seit mehr als fünf Jahrzehnten bestehende Leuchtreklame den Dienst, erlosch vorerst — bis dato hatte sie noch in grüner Farbe geleuchtet. Sie wurde erst einmal abmontiert, lag einige Zeit auf dem Dach herum — und wartete auf eine Reparatur.

Da die Leuchtschrift, genau wie das Marx-Haus an sich, unter Denkmalschutz steht, zog sich die Reparatur in die Länge. Doch ganz so genau nahm man es damals nicht mit dem Denkmalschutz, erlaubte Henkel, die Schriftfarbe im Zuge der dann doch erfolgenden Reparatur zu ändern — übrigens nicht zum ersten Mal.

Als das Unternehmen Henkel die Markenfarbe seines Vorzeigeproduktes von weiß auf Grün umstellte, wurde auch damals schon die Werbung auf dem Dach des Hauses angepasst — und die ersten, ursprünglich aus den 1930er Jahren stammenden Buchstaben ausgewechselt. „Somit hat die Reklame ihre ganz eigene Geschichte“, sagt Klaassen. Er selbst ist nicht oft auf dem Dach des Hauses, einmal im Jahr, wenn es hochkommt. Denn das Wilhelm-Marx-Haus ist nur eins von 70 Gebäuden in NRW, das er für die Deka-Bank betreut.

Doch natürlich gebe es auch Menschen, die öfter hier her kämen — so zum Beispiel die Techniker der Firma Henkel, die die Leuchtschrift regelmäßig warten müssen. Henkel ist dabei nur einer der Mieter des Hauses, der Firma gehört zwar die zur Schrift gehörige Anlage, muss dafür jedoch monatlich zahlen.

Vom Dach des Marx-Hauses fällt der Blick auf ein weiteres rund 60 Meter hohes Gebäude am Rande der Altstadt: den 1908 eröffneten Stahlhof an der Bastionstraße. Dessen Turm wirkt auf den ersten Blick wie der einer Kirche. Tatsächlich ist es aber ein Verwaltungsbau, der für die Stahlwerksverband AG errichtet wurde: ein repräsentativer Bau, der die Macht der Stahlbranche in Architektur übersetzte.

Nach dem Ersten Weltkrieg befand sich dort die Kommandozentrale der französischen Besatzungsmacht. Und seit 1971 hat das Verwaltungsgericht seinen Sitz in dem jüngst sanierten Gebäude — die Macht ist dort also zuhause geblieben...