Zeugen mit Erinnerungslücken

Neuer Prozess um spektakuläre Flucht aus dem Gericht.

Mehr als vier Jahre ist es her, dass Hakim Alamrani eine spektakuläre Flucht aus dem Gericht an der Mühlenstraße gelang. Seit gestern stehen drei Brüder und Freunde (22 bis 30 Jahre alt) des mutmaßlichen Drogenhändlers vor Gericht, denen Gefangenenbefreiung und Körperverletzung vorgeworfen wird. Ein Prozess mit Hindernissen.

Bereits Ende März war das Verfahren eröffnet worden. Doch eine Schöffin erkrankte so schwer, dass der Prozess abgebrochen und komplett neu aufgerollt werden musste. Gestern stellte sich heraus, dass ein Polizeibeamter, der im März als Zeuge noch erschienen war, inzwischen verstorben ist.

So wurde der Auftakt gestern nicht unbedingt zu einem Triumph für die Staatsanwaltschaft. Stattdessen dominierten bei vielen Zeugen die Erinnerungslücken. Eine Rentnerin (70), die während der Befreiungsaktion als Schöffin in dem Prozess gesessen hatte, konnte unter den fünf Angeklagten nicht den jungen Mann erkennen, der am 27. Mai 2008 das Startsignal zur Flucht gegeben haben soll.

Im Gegenteil. Ein Zeuge, an dem die Flüchtenden vor dem Gerichtsgebäude damals vorbeigerannt waren, sagte aus, dass er keinen aus dem Quintett wiedererkenne: „Der Mann, den ich gesehen habe, war wesentlich größer als ich.“ Der Zeuge selbst misst 1,85 Meter, so groß ist keiner der Angeklagten.

Ähnlich erging es einem Polizeibeamten, der einen der Verdächtigen damals vernommen hatte und sich auch nur noch dunkel an Einzelheiten erinnern konnte. Er überraschte das Gericht mit der Aussage, dass die Akten bei der Polizei nach drei Jahren vernichtet werden. Also gibt es auch nichts, was man nachlesen könnte.

Vier der Angeklagten schwiegen zu den Vorwürfen. Nur der Besitzer des schwarzen VW Golf, mit dem Hakim Alamrani entkommen konnte, ließ durch seine Rechtsanwältin mitteilen, dass er gar nicht am Tatort gewesen sei, sondern bei der Arbeit.

Von der Hauptperson fehlt dagegen weiter jede Spur. Hakim Alamrani ist bis heute nicht gefasst worden. Der Prozess wird am 27. Juni fortgesetzt.