Weihnachtsbilanz der Neusser Gastronomie Gastronomen stellen Zurückhaltung fest

Neuss · Gestiegene Lebensmittelpreise, Personalmangel, zurückhaltende Gäste – die Voraussetzungen für ein gutes Weihnachtsgeschäft in der Gastronomie waren nicht die besten. Doch schlecht war bei Weitem nicht alles. Das sagen Betreiber aus Neuss.

Helge Dalbeck (Weißes Haus) treiben vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise um.

Foto: Andreas Woitschützke

Michael Mylord kann es auf eine einfache Rechnung bringen. „Je Tisch fehlen mittlerweile drei bis vier Euro pro Person“, sagt der Betreiber der Brauerei „Im Dom“. Derjenige, der früher fünf Bier getrunken habe, bestelle jetzt nur noch drei. Das summiere sich und mache sich am Ende in der Kasse eines jeden Gastronomen bemerkbar.

Mit dem näher rückenden Weihnachtsfest machen die ersten Kneipenbesitzer und Restaurantbetreiber einen ersten gedanklichen „Kassensturz“. Mylord würde diesem Jahr zwar insgesamt die Schulnote 2- geben, allerdings zeichne sich vor allem bei den Firmenfeiern ein Wandel ab. „Das wird nicht mehr so locker gehandhabt wie früher, es wird verstärkt mit festen Budgets gearbeitet. Man merkt auch, dass in vielen Unternehmen der Zusammenhalt in den Teams nicht mehr so groß ist wie früher – entsprechend wird eher auf die Uhr geguckt.“

Eine Beobachtung: Geringeres Budget bei Firmenfeiern

Eine zunehmende Zurückhaltung bemerkt auch Michael Entrop vom Brauereiausschank Frankenheim in Holzheim. „Die Feiern, die wir hatten, waren gut. Aber es wird verhaltener“, sagt der Gastronom, der vor allem das Gänsegeschäft in diesem Jahr positiv hervorhebt. Nach wie vor ein Ärgernis seien sogenannte „No-Shows“. Unter diesem englischen Begriff werden Buchungen, meist mit vielen Personen, bezeichnet, die letztendlich nicht eingehalten werden. „Nicht mehr wiederkommen“, so Entrop, brauche zum Beispiel eine Gruppe, die kürzlich mit 15 Mann die Doppelkegelbahn gebucht habe – letztendlich aber nicht kam, ohne überhaupt abzusagen. „An dem Abend hätte ich die Bahn dreifach vergeben können, nun stand sie leer“, so Entrop.

Dies bezeichnet auch Kerstin Rapp-Schwan vom „Schwan“ auf dem Markt als „absolutes No-Go“. Sie beobachtet ebenfalls, dass der Durchschnittsbon und das Budget von Firmen geringer ausfallen. Das Niveau von 2019, also vor der Corona-Pandemie, sei bei Weitem noch nicht erreicht. In diesem Weihnachtsgeschäft festzustellen seien verstärkt kurzfristige Reservierungen, es gelte jedoch, so Rapp-Schwan, nicht alles pessimistisch zu sehen, sondern auch hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Ein großer Schritt wäre zum Beispiel die Rückkehr von 19 auf sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie.

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erwartet für das kommende Jahr nur dann Entspannung, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Lage aufhellen sollte und „die neue Regierung die notwendigen Maßnahmen anpackt“, wie der Verband auf Nachfrage mitteilt. Neben der Wiedereinführung der sieben Prozent zählten auch Bürokratieabbau und der Wechsel von der Tages- auf eine Wochenhöchstarbeitszeit dazu.

Grundsätzlich sei die Situation im Gastgewerbe, vor allen Dingen in der Gastronomie, weiterhin sehr angespannt. „Die realen Umsätze liegen immer noch deutlich unter denen von 2019, die Gewinne sind in vielen Unternehmen weggeschmolzen“, sagt Sprecher Thorsten Hellwig und fügt hinzu: „Viele Faktoren beeinflussen diese betriebswirtschaftliche Entwicklung. Es gibt nicht die eine Stellschraube, die zu verändern wäre. Der Fachkräftemangel, der hohe Kostendruck bei Waren, Personal und Energie bei gleichzeitiger Konsumzurückhaltung und hohe Bürokratielasten stellen viele Unternehmer vor große Herausforderungen.“

Erfreulich sei allerdings, dass sich die Beschäftigtenzahlen grundsätzlich wieder deutlich erholt hätten und heute über denen von 2019 lägen, wobei man bereits vor fünf Jahren mit Arbeitskräftemangel konfrontiert gewesen sei. „Allerdings konnten wir den Verlust von Fachwissen, Expertise und Erfahrung während der Pandemie noch nicht ausgleichen. Deshalb suchen Gastronomen und Hoteliers weiterhin gute Hände und Köpfe für ihre Betriebe“, so Hellwig.

Nach dem verheerenden Rohrbruch ist seit Anfang November im Weißen Haus wieder Regelbetrieb angesagt. „Es läuft langsam wieder an“, sagt Helge Dalbeck, der von einer insgesamt „schwierigen Zeit“ für die gesamte Branche spricht. „Die Kosten laufen uns weg“, sagt der Gastronom. Seit Juni sei eine achtprozentige Steigerung bei Lebensmittelpreisen zu beobachten. „Das können wir nicht mehr draufschlagen“, sagt Dalbeck. Schon jetzt sei nämlich festzustellen, dass die Gäste verstärkt das eigene Portemonnaie im Blick halten und vor allem Gerichte über 25 Euro meiden. Positiv: Aufgrund der regelmäßigen Berichterstattung zum Thema würden weniger „No Shows“ festgestellt als früher – wobei sich die Problematik „Im Dom“ zuletzt derart verschärft hat, dass man Reservierungen ab der fünften Person nur noch per E-Mail annimmt. Sollte dann ein Tisch einfach nicht erscheinen, wird eine Gebühr von 25 Euro pro Person erhoben.

Von Problem will man im Drusushof in diesem Jahr nichts wissen. „Am liebsten würde ich alle Gäste umarmen“, sagt Chef Alexander Bliersbach, der sich insgesamt sehr zufrieden mit dem Weihnachtsgeschäft zeigt – das sei auch der bei ihm stabilen Personallage zu verdanken gewesen.