Hinsbeck verliert die Textilscheune Hinsbeck verliert eine Institution
Hinsbeck · Nach 40-jähriger, erfolgreicher Tätigkeit wird das Textilmuseum „Die Scheune“ in Hinsbeck-Hombergen im kommenden Jahr in das Niederrheinische Freilichtmuseum verlagert. Damit verliert Nettetal eine Institution. Eine Würdigung.
Das Textilmuseum wurde 1983/84 von dem aus Viersen stammenden Textil-Ingenieur Walter Tillmann und seiner Frau Hildegard gegründet. Mit Ausstellungen und als Erhaltungsort von Arbeitsgeräten bewahrten sie hier das Wissen um die niederrheinische Textilindustrie. Dank ihrer Kenntnisse und ihres Einsatzes wurde das Haus zu einem weithin bekannten Treff- und Informationszentrum für textile Arbeiten. Insbesondere an Kinder und Jugendliche gaben die Tillmanns ihr Wissen gerne weiter. Noch 2024, im Alter von 94 Jahren, erzählte Walter Tillmann in seiner lockeren Art bei einer Rückschau aus der Geschichte des Textilmuseums. Ihre Bedeutung zeigten auch mehrere Fernseh- und Hörfunk-Übertragungen.
1975 hatten Walter und Hildegard Tillmann von der Schaesberg’schen Verwaltung das rund 400 Jahre alte Gebäude „Alt-Kämpken“, das spätere Textilmuseum, erworben. Das im Mittelalter am bedeutenden Weg von Hinsbeck nach Venlo liegende Haus wurde früher vom Grafen von Schaesberg als Zoll- und Wegegeldstation genutzt. Zum Anwesen gehörte auch eine Scheune, die früher zur Lagerung des aus den heutigen Krickenbecker Seen entnommenen, getrockneten Torfes diente.
Nach einer umfangreichen Renovierung verpachtete Tillmann die Scheune 1979 an den „Kunstkreis Hinsbeck“, der sie bis Ende 1983 bei über 30 Kunstausstellungen nutzte. Hier fanden nicht nur einheimische Künstler eine Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren. Auch während der Nazizeit aus Düsseldorf vertriebene und mit Arbeitsverboten belegte Künstler, die im Hombergen heimisch geworden waren, sowie Vertriebene Künstler der Nachkriegszeit stellten bei den Tillmanns aus.
Ende 1983 baute das Ehepaar Tillmann die ehemalige Scheune in das heutige Textilmuseum um. Grundstock war eine Sammlung von Zeugnissen der niederrheinischen Textilindustrie, die sie seit etwa 1963 zusammengetragen und bereits in verschiedenen Sälen der Umgebung ausgestellt hatten. Dank ihrer intensiven Tätigkeit, unterstützt vom Handwebermeister Günter Oehms, entwickelte sich das Museum schon nach kurzer Zeit zu einem touristischen Magneten.
Mit Erzählungen, Vorführungen und praktischen Übungen wurden die Besucher an das Thema „Textile Arbeiten während der vergangenen 200 Jahre“ herangeführt. Zahlreiche Besuche von Schulen, Jugendgruppen, Vereinen und Verbänden zeigten das Interesse an der Arbeit des Museums. Mit etlichen Berichten in der Presse und in Broschüren sowie durch Übertragungen in Rundfunk und Fernsehen wurde das Textilmuseum über die Grenzen des Kreises hinaus bekannt. Für sein Engagement wurde Walter Tillmann 1993 mit dem „Rheinlandtaler“, 1997 mit der Ehrenmedaille „Der Nettetaler“ sowie 2008 mit dem „Jüütenring“, dem Ehrenring Hinsbecks, ausgezeichnet.
Im Mai 2001 überführte das Ehepaar Tillmann das Textilmuseum in eine Stiftung. Die Geschäftsführung dieser „Stiftung DIE SCHEUNE Spinnen/Weben+Kunst Sammlung Tillmann“ übernahm die Stadt Nettetal, die hierzu eine Leiterin abstellte. Seitdem fanden zwischen April und Oktober regelmäßig Kunstausstellungen mit Bezug zu textilem Arbeiten oder textilen Materialien statt, die die Vielfalt textiler Kunst zeigten. Unterstützt wurde die Museumsarbeit von einer Gruppe von Helfern, die es dem Museum ermöglichten, nach und nach das Angebot an Führungen und Workshops zu erweitern.
Ein Anlieen des Museums war darüber hinaus der Erhalt von alten Geräten der Textilindustrie, die hier nicht nur ausgestellt, sondern deren Nutzung auch weitergegeben wurde, wie z.B. die Herstellung von Flachsfasern von der Aussaat bis zum fertigen Produkt, oder das „Weben am Tischrahmen“.
Weitere Aktivitäten waren Beteiligungen an den jährlichen Museums- und Denkmaltagen, die alljährliche Veranstaltung eines Textilmarktes mit ausgefallenen, künstlerischen Arbeiten im Juli oder die Museumsnacht für Kinder im Oktober, bei dem auch „Flax“, das Fledermaus-Maskottchen des Textilmuseums, zum Einsatz kam. Dies alles ist nun Geschichte, Nettetal wird um eine Attraktion ärmer.