Ärztin reanimiert kleine Nachbarstochter Kinderärztin rettet Nachbarskind das Leben

Hitdorf. · Christiane Agternkamp belebte das 21 Monate alte Baby ihrer Nachbarin wieder.

Christiane Agternkamp hatte bereits Erfahrungen mit Notfallsituationen.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Nachher, als das Adrenalin abgeebt war, haben ihr die Hände gezittert, sagt sie. In dem Moment, in dem die Entscheidung auf Leben oder Tod fiel, hat Christiane Agternkamp einfach gehandelt. Die Ärztin aus Hitdorf hat einem 21 Monate alten Mädchen geholfen, zurück ins Leben zu finden. Als sie das blau angelaufene Kind aus den Armen des Vaters nahm, war das Mädchen klinisch tot.

Es ist Donnerstagvormittag. Christiane Agternkamp freut sich auf einen Urlaubstag, hat ihren Mann zum Sport geschickt und die Wohnung für sich alleine, um zu üben. Sie ist jeck. In der kommenden Session ist sie Jungfrau im neuen Hetdörper Dreigestirn, außerdem Mitglied der Ersten Kölner Damen-Karnevalsgesellschaft Colombina Colonia. Sie will am Vormittag für ein von den Colombinen für Ende März geplantes Musical proben. „Plötzlich hat es wie wild an der Wohnungstür geklingelt und geklopft“, erzählt die 66-Jährige. Vor der Tür steht die Nachbarin aus dem zweiten Obergeschoss, verzweifelt, weinend, mit dem Handy gleichzeitig telefonierend. Mit dem Notarzt, wie sich später herausstellt: „Christiane, hilf! Unser Kind stirbt. Es ist schon ganz blau.“

Die Ärztin fühlte beim Baby
kein Lebenszeichen mehr

Agternkamp zögert keinen Moment. Dass es mit diesen Nachbarn Unstimmigkeiten gegeben hat, legt sie beiseite. Die Ärztin weiß, dass sie jetzt helfen muss, und schnell. Sie läuft die Treppe hoch, findet den verzweifelten Vater auf dem Treppenabsatz vor dessen Wohnungstür. Er drückt das Mädchen an sich. Agternkamp nimmt die Kleine, geht in die Wohnung der Familie, legt das Kind auf den Parkettfußboden im Schlafzimmer. Dort ist es wärmer als auf den kalten Steinen im Flur. Die erfahrene Ärztin überprüft rasch die Vitalparameter: fühlt den Puls am Hals, legt das Ohr auf die Kinderbrust, um nach dem Herz zu hören, kontrolliert mit der Hand unter der Nase, ob Atem da ist. Aber da ist nichts, kein Lebenszeichen ist mehr in dem kleinen Körper zu spüren. Agternkamp fängt mit der Herzdruckmassage und der Beatmung an: „In dem Moment denkt man nicht, man handelt, wird zum routinierten Profi.“ Dennoch: „Später, wenn das Adrenalin verschossen ist, setzt der Denkprozess ein.“

Agternkamp, niedergelassene Allgemeinmedizinerin in einer Hausarzt-Gemeinschaftspraxis in Rheindorf, hat Erfahrung mit unerwarteten Situationen. Als junge Ärztin sei sie als Entwicklungshelferin in Brasilien gewesen: „Da hatten Sie nicht immer alles nötige Equipment. Da wurden auch Kugelschreiber und Gartenschläuche als medizinisches Gerät genutzt.“ Und auch als Notärztin – die Hitdorferin absolvierte eine Weiterbildung zur Leitenden Notärztin, muss im Falle eines „Großschadensereignisses“ mit vielen Verletzten, mit kühlem Kopf die Kollegen koordinieren – „muss man improvisieren können“.

Das Kind hatte hohes Fieber und erlitt offenbar einen Krampf

Als das kleine Mädchen wieder rosig anläuft, seufzt und zu atmen beginnt, nimmt Agternkamp das Kind mit in ihre Wohnung, holt den Notarztkoffer, packt das Stethoskop aus, um das Herz der Kleinen abzuhören. „Nach etlichen Minuten ist dann auch der Notarzt eingetroffen. Das Kind ist auf die Kinderintensivstation im Klinikum gekommen“, berichtet Agternkamp: „Es ist, soweit ich weiß, stabil.“ Ausgelöst worden war der Zustand des Kleinkindes nach Aussage der Ärztin wahrscheinlich durch hohes Fieber mit einen Fieberkrampf.

 Als der Notarzt und die Familie weg sind und Agternkamp sich aufmachen will zu einer Verabredung, als also alles vorbei ist, „da habe ich gemerkt, dass mich das sehr bewegt hat“, erzählt sie ehrlich: „Das wird mich noch eine Weile beschäftigen. Ein totes Kind hat man nicht jeden Tag im Arm.“ Einen Dank von der Familie erwartet sie nicht, sagt die Medizinerin: „Ein Leben ist gerettet. Das ist das Wichtigste. Dank muss da nicht sein.“ LH