Holger Bär nutzt die digitalen Möglichkeiten und schätzt das analoge Produkt Seine Maschinen malen, was er will

Er kennt sich mit der digitalisierten Kunst aus, seit vielen Jahren, hat sich auch auf die Pfade künstlerischer Intelligenz begeben. Und weil dem so ist, fällt sein Urteil einigermaßen ernüchternd aus: Klar sei das physische Zusammenkommen in der Coronakrise schwierig, aber „das Virtuelle kann das nur zu einem gewissen Teil auffangen“, ist Holger Bär überzeugt, der zu den führenden Digitalmalern zählt.

Holger Bär an einer seiner Mal-Maschinen.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Die Pandemie hatte ihn wie die anderen Kulturschaffenden zwischenzeitlich stillgelegt. Und er rechnet mit einer deutlichen Reduzierung der Spielstätten, auch der Galerien.

In dem weißen Prachtbau aus der Gründerzeit am Ende eines Hofes an der Wiesenstraße in Elberfeld wird Tag und Nacht gearbeitet. Die beiden Maschinen in dem hohen Raum im Erdgeschoss, der früher als Stall für Postkutschenpferde genutzt wurde, brauchen keine Pause. Auf den mit Brettern abgedeckten Wandtrogen hängen noch die Eisenringe, an denen die Tiere festgebunden waren.

Nun stehen überall Bilder, kleine und große, unscharfe und fast fotografisch exakte, Porträts und Pop Art-Motive, fotorealistische Szenen wie die der Berlin-Serie, aber auch Impressionisten: Werke von Paul Signac oder Georges Seurat, seitenverkehrt und vergrößert „gemalt“, ihre pointilistische Malweise auf ein Foto des Central Park in New York oder der Shibuya-Kreuzung in Tokio angewendet. Für ein drei mal zwei Meter großes Werk braucht eine Maschine sechs Wochen.

Holger Bär hat immer gezeichnet, kam zum Mal- und Phlisophiestudium, weil ihm das die meisten Widerstände bot, erklärt der 58-Jährige. In Michael Badura fand er an der Bergischen Universität einen kritischen und fordernden Lehrer. Er entschied sich, zeitgenössische Kunst mit zeitgenössichen Mitteln zu machen, die in den 1980er Jahren Video und Computer hießen. Er kaufte sich einen Computer und arbeitete wie dieser Pixel für Pixel.

Ein langwieriger Prozess, den der Computer schneller bewältigt. Also baute Bär ab 1987 Maschinen, die seine Bilder malen. Mitte 1990 seien dann die ersten interessanten Bilder entstanden, erinnert er. Über die Jahre wurden seine Maschinen besser, exakter, irgendwann wechselte er vom quadratischen Pixel zum feineren Punkt. Gerade baut er eine neue Maschine, die größere Formate emöglichen soll.

Der Betrachter sieht in
den Bildern das, was er weiß

Noch heute polarisiere seine Kunst, sagt Bär, gebe es wie in den 1990er Jahren Menschen, die sie für den Untergang der Kunst hielten, weil in der Malerei immer noch das Handwerk erwartet werde. Dennoch habe er auch viele Fans. Seine Kunst hängt in Museen, wird international gekauft. Und braucht - im Unterschied zur reinen KI-Kunst - das analoge Produkt, die Spannung zwischen Materie und Virtualität. „Ich will keinen Roboter mit dem Pinsel arbeiten lassen, das kann ich auch selbst machen. Ich lasse Maschinen Dinge machen, die ich nicht machen würde als Mensch“, sagt er bestimmt. Vielleicht interessierten sich die Museen mehr für digitale Kunst, die im virtuellen Raum bleibe, wenn die Monitore riesiger und das Handling einfacher werde, überlegt er.

Bär will die Welt beschreiben, vergegenwärtigen und darstellen, dadurch Erkenntnisse gewinnen und diese wiederum vermitteln. Kurz gefasst: Sichtbar machen, was unsichtbar ist - für ihn selbst und den Betrachter. Der sich wiederum das Bild selbst erschaffe, dabei sehe, was er weiß, beschreibt Bär sein Vorgehen. Er macht sich dabei zunutze, dass der Mensch aus Zeichenfolgen Muster liest, diese zu Bildern formt, die er manchmal auch wiedererkennt, so dass aus einer Hochhausfolge an einem See eine Aufnahme des Central Parks werde.

Den Wuppertalern bietet sich im November dazu die nächste gelegenheit: Die Ausstellung, so Bär, wird gerade vorbereitet.