Sexueller Missbrauch Polizei hat 2018 in NRW Tausende Terabyte Kinderpornos sichergestellt

Düsseldorf · Ein NRW-Ermittler bräuchte etwa 2000 Jahre, um diese Daten zu sichten. Ohne neue Technik ist das unmöglich.

Die Personaldecke der Polizei ist dem kinderpornografischen Datenvolumen nicht gewachsen.

Foto: Peter Förster

Die Menge der beschlagnahmten Daten im Missbrauchs- und Kinderpornografiefall von Lügde hatte für Schlagzeilen gesorgt: 15 Terabyte müssen die Ermittler in dem Verfahren nach kriminellen Inhalten durchforsten. Das allerdings ist ein Bruchteil dessen, was im vergangenen Jahr beim Landeskriminalamt (LKA) in NRW aufgelaufen ist: Zwei bis drei Petabyte – also 2000 bis 3000 Terabyte – wurden im Zusammenhang mit Kinderporno-Ermittlungen sichergestellt.

Auf Anfrage dieser Zeitung erklärt das LKA: Wenn man von einer durchschnittlichen Bildgröße von 200 Kilobyte ausgehe sowie davon, dass ein Ermittler eine Sekunde pro Bild braucht, dann hätte dieser nach neun Monaten lediglich ein Terabyte Daten gesichtet. Das bedeutet: Für die allein im vergangenen Jahr von der Polizei in NRW sichergestellte Datenmenge bräuchte ein Ermittler 1500 bis 2250 Jahre. Zudem verzeichne man „in den vergangenen Jahren stetig anwachsende Datenmengen“, so LKA-Sprecher Frank Scheulen – auch durch den technischen Fortschritt etwa bei Datenspeichermedien, Datenübertragung und die Handelsmöglichkeiten des Darknet. Allein von 2017 (1250) auf 2018 (1412) nahmen die Fallzahlen um 13 Prozent zu.

Die Bearbeitung der Daten erfolgt laut LKA derzeit in allen 47 Kreispolizeibehörden des Landes. Allein das Landeskriminalamt hat bei der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle Kinderpornografie (ZAS) einen Auswerteraum mit einem massiven Panzerschrank. Darin werden die Speichermedien mit kopiertem Datenmaterial aufbewahrt, nur zwei hochrangige Mitarbeiter haben dazu einen Schlüssel. Eine Software hilft laut Scheulen immerhin, die im Polizeisystem bereits bekannten Abbildungen herauszufiltern. Aber jede noch unbekannte Datei müsse gesichtet werden, „insbesondere zur Detektion von andauernden Missbrauchsfällen“.

Der LKA-Sprecher berichtet von einem herausragenden Fall: Dabei lokalisierten die Kinderporno-Ermittler nach zwölf Monaten Detektivarbeit in Daten einen Computer in Atlanta, USA. Das FBI ergriff dort einen Mann, der seinen eigenen Sohn missbrauchte und dabei filmte. „Das ist ein Fall, wo alles funktioniert hat und man das Kind retten konnte“, sagt Scheulen. „Auch im Darknet gibt es Mittel und Wege für uns.“

Kinderpornografie-Stelle bei LKA wird aktuell aufgestockt

Er rechnet allerdings auch weiterhin mit einer stetig zunehmenden Datenmenge. „Das ist ein Problem. Hier sind intelligente technische Lösungen gefragt.“ Die Software zur Gesichtserkennung, die Innenminister Herbert Reul (CDU) den Lügde-Ermittlern zur Verfügung gestellt hatte, sei „ein richtiger Schritt“, aber noch nicht die Lösung. Gleiches gilt wohl für die zehn zusätzlichen Stellen bei der ZAS, die im Dezember bewilligt wurden und für die aktuell das Auswahlverfahren läuft. Reul ist das bewusst: „Allein mit mehr Personal werden wir dieser Datenmassen nicht Herr werden. Deshalb dürfen wir uns nicht länger an der Frage vorbeimogeln, wie wir neue Technologien nutzen können“, sagte er gegenüber dieser Zeitung. Und: Laut Scheulen könnte die Auswertung von Verbindungsdaten bekannter Täter ganze Netzwerke enttarnen. „Da fehlt uns aber die Vorratsdatenspeicherung.“ Sie ist in Deutschland wegen anhängiger Verfassungsklagen ausgesetzt. Reul hat dazu eine klare Meinung: „Über das Thema Vorratsdatenspeicherung diskutieren wir jetzt schon seit mehr als zehn Jahren. Wir können uns nicht noch weitere zehn Jahre leisten. Deshalb braucht es kluge Lösungen.“