Ab Mitte des Monats haben viele nichts mehr zu essen

Die Krefelder Tafel versorgt 3500 Menschen mit Lebensmitteln und 100 mit Mittagessen. Ihre Zahl steigt an.

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Krefeld. Armut hat viele Gesichter. Das weiß Hansgeorg Rehbein inzwischen nur zu gut. Seit 2013 ist der ehemalige Leiter der Volkshochschule ehrenamtlich Vorsitzender der Krefelder Tafel - und hat somit fast einen neuen Vollzeit-Job. Zwei bis drei Tonnen Lebensmittel sammeln die Mitarbeiter der Tafel jeden Tag bei verschiedenen Spenderfirmen ein und geben sie meist noch am selben Tag an einer der fünf Ausgabestellen im Stadtgebiet weiter an Bedürftige. 3500 sind das inzwischen, und ihre Zahl wächst.

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In einem Jahr erhält die Tafel rund 700 Tonnen Lebensmittel im Durchschnitt. Die stammen aus Fehleinkäufen von Supermärkten, nicht verkaufter Lagerware oder Überproduktionen der Herstellerfirmen und würden ansonsten weggeworfen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist aber nicht überschritten. „Wir sind die Brücke zwischen Überfluss und Mangel“, zitiert Rehbein den Auftrag der Tafeln schlechthin.

Was in den 90er Jahren deutschlandweit als private Hilfe für Obdachlose gedacht war, ist heute für viele Hartz IV-Empfänger der letzte Rettungsanker. „Die Zahl der Menschen, die ab Mitte des Monats nichts mehr zu essen haben, wird immer größer, “ beschreibt Rehbein eine auch in Krefeld zu beobachtende gesellschaftliche Entwicklung.

Bevor sie den Tafelausweis erhalten, um einmal in der Woche kostenlos Lebensmittel zu erhalten oder beim Mittagstisch essen zu können, müssen sie ihre Bedürftigkeit nachweisen durch Vorlage einer Bescheinigung der Arbeitsagentur, des Sozialamtes oder des Rentenbescheids. „Da hat so mancher Tränen in den Augen stehen“, erklärt Rehbein. Es sei wahrlich kein Vergnügen, um Almosen zu betteln.

Trotz der großen Unterstützung durch Spenderfirmen sieht der Vorsitzende der Tafel ein immer größer werdendes Problem auf den Verein zu kommen. „Mehr Tonnen im Jahr werden wir nicht bekommen, die Zahl der Bedürftigen nimmt aber dramatisch zu.“ Vor allem bei den älteren Krefeldern.

„17 bis 20 Prozent der Abnehmer sind inzwischen Senioren“, so Rehbein. Vor allem verwitwete Frauen, die selber wegen der Familie kaum gearbeitet haben, und jetzt mit sehr, sehr kleiner Rente leben müssten. Doch auch bei jüngeren, alleinerziehenden Mütter nehme die Not zu. Die Kritik an den Hartz IV-Gesetzen lässt der engagierte Krefelder zu. Nicht aber die Zweifel an der Existenzberechtigung der Tafeln. „Wenn es Tafeln und Kleiderkammern nicht gäbe, würde es vielen Menschen schlechter gehen“, lautet sein Kommentar.

Zu diesen Angeboten zählt Rehbein auch den Mittagstisch der Tafel. Der findet jetzt im Winter montags bis freitags in den Räumen der Pfarrgemeinde Herz-Jesu statt, direkt neben dem Bunker, den die Tafel als Lagerraum und Ausgabestelle nutzt. Im Sommer wird nur an drei Tagen frisch gekocht.

Vorwiegend Männer nutzen täglich den Mittagstisch. Und auch deren Zahl wächst. Waren es früher 60 bis 70 am Tag, sind es inzwischen knapp 100. „Die wissen nicht, was sie mit Lebensmittel anfangen können und wie sie sie zubereiten können.“ Rehbein träumt deshalb von einem zusätzlichen Angebot für diese Menschen, bei dem sie Hilfe in Alltagsdingen erhalten. „Doch dazu fehlen die finanziellen Mittel und entsprechende Räumlichkeiten.

Schon jetzt stößt der Verein finanziell an seine Grenzen. „Unsere Ausgaben sind seit zwei, drei Jahren höher als unsere Einnahmen, das muss sich ändern“, sagt Rehbein. Diskutiert werde derzeit im Vorstand deshalb, ob von den Bedürftigen pro Woche ein Euro erhoben werde, wie beispielsweise in Wuppertal. Ansonsten müsse einer der fünf Lieferwagen abgegeben werden.

Sorge bereitet dem Verein außerdem der geplante Verkauf des Bunkers als Stammsitz. „Der ist für uns als Lagerfläche ideal.“ Deshalb ist er auch dankbar für die Zusage einiger Spender, die ihn für die Tafel kaufen wollen. Der Verein hat vom Bund ein Vorkaufsrecht eingeräumt bekommen. Nur die Bewertung des angrenzenden Grundstücks sei derzeit ein Problem. Rehbein hofft im Neuen Jahr auf eine Lösung.