Sekte Colonia Dignidad: Hopp fühlt sich in Krefeld verfolgt
Der ehemalige Krankenhausleiter der Sekte Colonia Dignidad spricht von aufdringlichen Journalisten, schlaflosen Nächten und dem Kontakt zu ehemaligen Bewohnern der Siedlung im Süden Chiles.
Krefeld. Seine Vergangenheit liegt wie ein dunkler Schatten auf Hartmut Hopp. Oft verlässt der 72-Jährige seine Wohnung in Krefeld nicht mehr. Zu schlecht, sagt er, seien die Erfahrungen, die er mit aufdringlichen Pressevertretern aus Deutschland und Chile gemacht haben will. „Manchmal ging es einfach nicht mehr und ich musste die Polizei rufen.“
Die Journalisten wollen vom ehemaligen Krankenhausleiter in der sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft Colonia Dignidad (CD) in Chile vor allem eins wissen: Was hat er als Arzt von den Folterungen, der Therapie mit Elektroschocks und der Verabreichung von Psychopharmaka an ehemalige Dorfbewohner und chilenische Kinder und Jugendliche gewusst - und ist er selber aktiv daran beteiligt gewesen? Hat er dafür gesorgt, dass Sektenführer Paul Schäfer seine perversen Phantasien an kleinen Jungen ausleben konnte?
Hopp bestreitet diese Anschuldigungen trotz einer rechtskräftigen Verurteilung in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch im Gespräch mit der WZ vehement. Er sagt sogar, ihm ließen die teilweise ungeklärten Vorkommnisse auf dem Gelände im Süden Chiles keine Ruhe.
Er sieht sich als Opfer. Opfer der Justiz, der öffentlichen Meinung, die sich durch eine Hetzkampagne von Medien gebildet habe. In seiner neuen Heimat ist das Urteil über ihn nach seiner Ankunft 2011 schnell gefällt, als Hopps Vergangenheit öffentlich wird. Es gibt Proteste vor seiner Krefelder Wohnung, in der er zusammen mit seiner Frau, einer ehemaligen Krankenschwester aus der Colonia Dignidad, lebt.
Allein ist Hopp in Krefeld ohnehin nicht. „Insgesamt leben etwa 125 ehemalige CD-Mitglieder in Österreich und Deutschland, davon 14 in Krefeld. Zu den meisten aller ehemaligen CD-Mitglieder habe ich sehr guten Kontakt“, sagt Hopp.
Die meisten dieser CD-Mitglieder besuchen bereits damals die Gottesdienste der Religionsgemeinschaft Freie Volksmission von Pastor Ewald Frank. Im WZ-Interview will Hartmut Hopp sich nicht über eigene Kontakte zur Freien Volksmission äußern. Das, sagt er, sei seine Privatsache.
Das Verhältnis zwischen der CD und der Freien Volksmission war sogar Sache der Justiz. 2011 beschied das Düsseldorfer Landgericht, dass nicht mehr verbreitet werden dürfe, dass die Volksmission führenden Funktionären der Colonia Dignidad oder dem Sektenarzt Zuflucht gewährt habe. Die Volksmission hat zwar eingeräumt, dass 13 ehemalige Bewohner des Colonia-Geländes ihre Gottesdienste besuchen. Dabei handele es sich aber um Opfer, nicht um Täter aus dem Kreis des Sektenführers Paul Schäfer.
Ebenfalls räumte Ewald Frank vor Gericht ein, ein Fax für den umstrittenen Colonia-Sektenarzt verschickt zu haben. Hopp habe das Gelände der Volksmission aber nicht betreten, behauptete Frank. Eine andere Zeitung und ein anderes Internetportal hatten über Bezüge der Krefelder Religionsgruppe zur berüchtigten Deutschen-Siedlung in Chile berichtet. Dabei sei der Eindruck erweckt worden, die Freie Volksmission sei eine Art Nachfolge-Organisation der „Folter-Sekte“, hatte der Anwalt der Volksmission kritisiert. Gefallen lassen muss sich der Prediger Ewald Frank dem Gericht zufolge aber die Behauptung, dass es Parallelen in der Weltanschauung der Prediger Schäfer und Frank gebe. Dies sei als Werturteil von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Größere Sorgen dürfte Hopp indes eine zusätzliche Ermittlung der Krefelder Staatsanwaltschaft machen. Nach einer Anzeige der Menschenrechtsorganisation ECCHR wegen des Verschwindens dreier Studenten auf dem ehemaligen Sektengelände lautet der Vorwurf: Mord. Doch die Ermittlungen stocken seit Jahren. „Wir warten auf Akten aus Chile“, sagt Oberstaatsanwalt Axel Stahl. Hartmut Hopp entgegnet: „Gleich zu Anfang meines Aufenthaltes in Deutschland habe ich mich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgestellt und meine Kooperationsbereitschaft manifestiert. Ich bin jedoch bis heute von keiner Behörde befragt worden.“
Auf Seiten der Ermittlungsbehörden kann man die Aussagen Hopps nicht nachvollziehen. „Die Aussage von Herrn Hopp, dass die Staatsanwaltschaft Krefeld die Hilfe von Herrn Hopp zur Aufklärung der Straftaten nicht in Anspruch nehmen würde, ist nicht korrekt. Ihm wurde in Person seines Anwalts Helfried Roubicek wiederholt rechtliches Gehör gewährt“, erklärt Axel Stahl.
Die Akte Hopp ist in Krefeld noch lange nicht geschlossen.