Ein Ort der Wahrheitssuche

Der Prozess um den Thälmann-Mord lief vor 25 Jahren im selben Saal wie der um den Fall Mirco.

Krefeld. „Es war kein Sensationsprozess, aber es war ein Prozess mit einem sensationellen Urteil: Wolfgang Otto, so befand die 2. Große Strafkammer des Krefelder Landgerichts nach 32 Verhandlungstagen, hat sich der Beihilfe an der Ermordung Ernst Thälmanns schuldig gemacht und soll für vier Jahre ins Gefängnis. Dieser Spruch hatte die Wirkung einer Bombe. Er ist in der Geschichte der westdeutschen Nachkriegsjustiz in NS-Sachen ohne Beispiel.“

So bilanzierte Zeit-Autor Dietrich Strothmann den Prozess vor 25 Jahren, der annähernd so große Schlagzeilen machte, wie die derzeit auf dem Nordwall laufende Verhandlung gegen den mutmaßlichen Mörder von Mirco S.

Am 15. Mai 1986, wenige Tage nach der Katastrophe von Tschernobyl, verurteilte Richter Heinz-Joseph Paul den ehemaligen Lehrer Otto aus Geldern wegen Beihilfe zum Mord am Kommunistenführer Ernst („Teddy“) Thälmann im Konzentrationslager Buchenwald zu vier Jahren Gefängnis. Paul lebt heute als Pensionär in Verberg.

Rund ein halbes Jahr lief der Prozess im selben Gerichtssaal 167 (damals 157) in der ersten Etage des Landgerichts. Der große, hell getäfelte Raum mit den hohen Fenstern zur Kreuzung am Ring war damals wie heute dicht gefüllt mit Zuschauern, die aus aller Welt kamen.

Die Ereignisse vom 28. August 1944, als Thälmann im KZ heimtückisch ermordet wurde, lebten vor Gericht wieder auf. Als „Spieß“ war Otto die rechte Hand des Lagerkommandanten. 31 Verhandlungstage waren vor dem Urteil angesetzt, 43 Zeugen wurden einvernommen, für einen Lokaltermin begab sich das Gericht in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar.

Große Namen tauchten im Prozessverlauf auf: Friedrich Karl Kaul, der DDR-Staranwalt und Mustang-Fahrer, Irma-Gabel Thälmann, „Teddys“ Tochter, Anwalt Heinrich Hannover, der als Nebenkläger in seinem Plädoyer das israelische Eichmann-Urteil zitierte. Der damalige DKP-Chef Herbert Mies und Antifaschisten aus aller Welt verfolgten gebannt das Krefelder Geschehen.

Schlusswort Strothmann: „Thälmann gegen Otto — abgesehen von dem langen, lähmenden, auch höchst peinlichen Juristenstreit, ist dies auch eine deutsche Geschichte, das sogar vor allem.“ Zuende schrieb diese Geschichte das Landgericht in Düsseldorf. Zwei Jahre nach dem Krefelder Urteil sprach es Otto frei. Der ehemalige Religionslehrer verstarb 1989 im Alter von 78 Jahren in Geldern.