Kampf gegen 700.000 Ratten

Ein Kammerjäger legt jedes Jahr rund 11 000 Köder mit tödlichem Gift aus.

Krefeld. Freundschaft werden Gudrun Kossian und die Krefelder Ratten wohl nicht mehr schließen. In den vergangenen Tagen hat sie die Nager überall gesehen: auf einer Mauer, auf dem Balkon der Nachbarn und im Innenhof des Mehrfamilienhauses an der St.-Anton-Straße, in dem sie lebt. „Als ich den Müll weggebracht habe, saß sogar eine hinter der Tonne“, sagt Kossian. Überall im Garten haben die Tiere Löcher und Tunnel gegraben. Kossian vermutet, dass die Ratten aus der Nachbarschaft kommen.

In solchen Fällen hilft ein Anruf beim Ordnungsamt, das sich vor Ort einen Eindruck verschafft. Tummeln sich die Nager auf einem privaten Grundstück, muss der Eigentümer die Schädlinge beseitigen.

Handelt es sich jedoch um eine öffentliche Anlage oder einen Kanal, sind Stadt und SWK Aqua zuständig. In diesem Fall rückt Rattenfänger Wolfgang Winkens aus. Der Korschenbroicher kümmert sich darum, dass die Menge an Ratten in Krefeld nicht weiter zunimmt. Ohnehin ist deren Zahl bereits hoch: Geschätzt wird die Zahl auf weit über 700 000 im gesamten Stadtgebiet. Auf jeden Einwohner kommen also etwa drei Ratten. Winkens: „Das Problem kann man nur im Zaum halten, komplett lösen kann man es nie.“

Der professionelle Schädlingsbekämpfer bekommt es bei seiner Arbeit mit Rattus Norvegicus, der Wanderratte zu tun. Dabei handelt es sich um einen ernst zu nehmenden Gegner: Die Nager können ein halbes Kilogramm wiegen und eine beachtliche Größe erreichen. Winkens: „Die meisten sind ohne Schwanz 25 Zentimeter lang, aber ich habe auch schon einige mit 35 Zentimetern gesehen.“

Kammerjäger Winkens setzt zur Bekämpfung derzeit auf das Gift Bromadiolon. Dabei handelt es sich um ein Mittel, das die Blutgerinnung verhindert, so dass die Ratten innerlich verbluten. Ein Problem: In vielen Städten gibt es bereits Tiere, die immun gegen die Wirkung des Gifts sind. In Krefeld ist dies laut Winkens nicht der Fall: „Um das zu vermeiden, wechseln wir ab und zu das Mittel.“

Der Schädlingsbekämpfer arbeitet hauptsächlich vorbeugend. Pro Jahr bestückt er die Kanäle mit rund 11 000 Ködern. Diese wiegen jeweils 200 Gramm und enthalten so viel Nahrung, dass sich eine Ratte daran satt fressen kann. „Auf diese Weise nimmt sie dann auch genug Gift auf“, erklärt Winkens. Gibt es vom Ordnungsamt eine Meldung über einen akuten Befall, rückt er mit zusätzlichen Giftködern und Fallen an. Insgesamt lassen sich SWK und Stadt die Bekämpfung jährlich zwischen 40 000 und 45 000 Euro kosten.

Die Tiere halten sich vor allem in der Nähe von Kanälen und Wassergräben auf. Da sie sich ständig auf Futtersuche befinden, werden sie vor allem von Müll angezogen. Winkens: „Es ist ein Problem, dass die Leute ihre Sachen nicht vernünftig entsorgen.“

Angst muss man vor den Nagetieren allerdings nicht haben. „Eine Ratte beißt nur, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt“, weiß Winkens. Sollte es dazu kommen, muss man einen Arzt aufsuchen, weil die Tiere viele Krankheiten übertragen können. Für Gudrun Kossian steht auf jeden Fall fest, dass sie keine Ratten mehr in ihrem Hof haben möchte. „Solange die Ratten da sind, lasse ich meinen Enkel nicht mehr dort spielen.“ Um das Problem kümmert such nun ein Kammerjäger.