EU-Recht: Neuer Hygiene-Leitfaden blockiert Tagesmütter
Statt als Kleinfamilie wird die Pflegestelle nun als Großküche eingestuft. Jugendamtsleiter hofft auf Änderungen.
Krefeld. Kleine Kinder sollen kein rohes Gehacktes, Fisch oder weichgekochte Eier essen. Sie könnten mit Bakterien wie Salmonellen behaftet sein, die schwere Darmerkrankungen bei ihnen auslösen. Auch dass vor dem Kochen die Hände gewaschen und Küchentücher alle paar Tage gewechselt werden, ist Eltern und Pflegekräften weitreichend bekannt. Doch was der neue 20-seitige Hygiene-Leitfaden Tagesmüttern vorschreibt, gleicht den strengen Richtlinien für Großküchen.
Sie sind danach neuerdings als „Lebensmittelunternehmer“ eingestuft. Ein Kühlschrankthermometer muss nun vorhanden sein, fünfmal am Tag die Temperatur gemessen und notiert, Gemüse und Fleisch in verschiedenen Fächern einsortiert und mit Etiketten für „Tagespflege“ oder „Privat“ ausgezeichnet werden. „Das ist zu extrem, wir sind vergleichbar mit einer Kleinfamilie und nicht mit einer Großküche“, sagt Angela Krönke, die als Tagesmutter vier Kinder zwischen 19 Wochen und 26 Monaten betreut. Aufwendig ist es schon jetzt, denn drei von ihnen werden unterschiedlich ernährt.
Die gelernte Hotelfachfrau spricht sich nicht generell gegen Hygiene-Vorschriften aus. Ein Fliegenschutz über frischem Obst ebenso wie die regelmäßige Desinfektion der Arbeitsflächen ist für sie angemessen — nicht so aber das sechsmonatige Aufbewahren der Einkaufszettel, das Verbot von Pflanzen in den Räumen und Fliegengitter vor allen Fenstern.
Für diese einheitlichen Standards im Lebensmittelhygienerecht hat 2006 die EU-Kommission gesorgt. Ausgenommen ist davon, wer nur gelegentlich oder in kleinem Maße Lebensmittel zubereitet oder serviert. Tagesmütter fallen allerdings nicht darunter. „Wie die EU-weit geltenden Vorschriften der Hygiene-Verordnung letztendlich anzuwenden sind, entscheiden die zuständigen Bundesländer“, erklärt Gerhard Ackermann. Der Leiter des städtischen Fachbereichs Jugend hofft, dass nach einer rechtlichen Klärung der Bund einheitliche, moderatere Richtlinien für die Tagespflege ausgibt.
Die Stadt setzt beim Ausbau der Betreuungplätze für Kinder unter drei Jahren verstärkt auf die Kindertagespflege. Bis zum Sommer 2013 sollen allein 400 solcher Plätze in Krefeld angeboten werden. Wenn nun aber die Hygienevorschriften so kompliziert bleiben, wird laut Ackermann die Suche nach geeigneten Frauen für diese Aufgabe immer schwieriger.
Bereits seit drei Jahren schult die Stadt Krefeld Tagesmütter ebenso wie Mitarbeiter in Kitas und Schulen. Die Aufgabe hat vom Gesundheitsamt die Lebensmittelchemikerin Regina Isselstein übernommen. In zwei Stunden führt sie ein in allgemeine Hygienebestimmungen, informiert über Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Gefahren im Haushalt für Kinder. Das hält sich laut Regina Isselstein aber alles im Rahmen: „Schließlich sind die Tagesmütter nicht in erster Linie Köche, sondern Betreuungspersonen.“