Wirtschaft IHK: Jeder fünfte Betrieb fürchtet Insolvenz
Krefeld · In Krefeld und Umgebung spüren Unternehmen in Folge von Corona deutliche Umsatzrückgänge. So zeigt es eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer. Daher stellt der Verband Forderungen an die Politik.
Ganz persönlich freue er sich, wenn die Friseure Anfang Mai wieder aufmachen sollten, sagt Jürgen Steinmetz und deutet auf seine Haare. Dass Unternehmen öffnen dürfen, ist für ihn allerdings mehr als ein privates Interesse. Steinmetz ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. In dieser Funktion vertritt er auch die Interessen von Betrieben in Krefeld und im Kreis Viersen. Eine Aufgabe, die momentan für besonders viel Arbeit sorgt. Denn die Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie treffen auch die heimische Wirtschaft hart.
Im Rahmen einer Pressekonferenz gibt Steinmetz einen Einblick. Allein in Krefeld mussten schon 5200 Unternehmer staatliche Soforthilfen in Anspruch nehmen. Im Kreis Viersen sind es bislang 6600. Zudem hat sich die IHK bei etwa 200 Unternehmen in der Region zur finanziellen Lage umgehört. Steinmetz spricht bei der Analyse der Umfrage von „besorgniserregenden Zahlen“. 21 Prozent der Firmenvertreter nennen den Umsatzrückgang in Folge von Corona „insolvenzbedrohend“. Am 25. März waren es erst knapp 13 Prozent. Gefährdet sehen sich offenbar eher kleinere Betriebe. Steinmetz sieht einen Grund für den Anstieg in der Verteilung des staatlichen Geldes. Da habe vieles funktioniert. „Aber die Soforthilfen haben nicht alle erreicht.“ Auch von einem vereinfachten Zugang zu Krediten konnten demnach nicht alle, die es nötig haben, Gebrauch machen.
6000 Anrufe wegen
Corona bei der Hotline
Auch wenn viele Betriebe keine Angst um die eigene Existenz haben, zeigt die IHK-Umfrage: Ein schwerer Schlag ist Corona für die Mehrzahl der Branchen und Firmen in der Region trotzdem. Etwa 79 Prozent der Unternehmer prognostizieren Umsatzrückgänge für das Jahr 2020. Immerhin stagniert dieser Wert offenbar. Schon Ende März war die Stimmung ähnlich. Dass es nicht schlimmer werde, mache Mut, meint Steinmetz. „Aber es bleibt eine dramatische Zahl.“ Dass die Befürchtungen nicht noch gravierender sind, führt Steinmetz auf die Leistungen vieler Betriebe zurück. „Nach der ersten Schockstarre haben sich kreative Lösungen ergeben.“ Damit meint er Geschäfte, die ihre Ware nun zum Kunden liefern. Oder Firmen, die ihre Produktion angepasst haben.
Dass sich viele Geschäftsleute große Sorgen machen, merkt die IHK auch an etlichen Fragen. Gut 6000 Anrufe mit Anliegen zu Corona habe es in den vergangenen Wochen an der IHK-Hotline gegeben. Zunächst ging es um Themen wie Kurzarbeit, später um den Zugang zu staatlichen Hilfen. Am Samstag fahren Steinmetz’ Leute wieder eine Sonderschicht am Telefon. Der Chef erwartet viele Fragen zu möglichen Corona-Lockerungen. Inhaber wollen wissen, wann es wieder losgehen kann.
Insgesamt scheint Steinmetz mit den politischen Entscheidungen im Bund und auf Landesebene bislang zufrieden. Man habe mit Schließungen von Betrieben und Abstandsregeln richtig reagiert, um die Pandemie einzudämmen. Nun fordert er Maßnahmen für die Lockerung. Er verweist mit Einzelhandel, Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungsmanagement auf Branchen, die die Regeln besonders hart treffen. Dabei gehe es hier in der Region um tausende Arbeitsplätze.
Für Teile dieser Gewerbe haben Bundes- und Landesregierung in dieser Woche versprochen, die Auflagen ab Montag zu lockern. „Ein guter Schritt unter Wahrung des Infektionsschutzes“, sagt Steinmetz. Dieser sei wichtig. „Wir dürfen auf keinen Fall wieder zurückfallen.“ Sein Wunsch: Ein Wiedereinstieg ins wirtschaftliche Leben, der sich stetig fortsetzt.
Was Steinmetz für den Handel zuversichtlich stimmt, sind dabei die Erfahrungen der vergangenen Tage. Die Menschen mussten sich an Abstandsregeln im Lebensmittelhandel oder im Baumarkt gewöhnen. „Das hat gut funktioniert“, sagt Steinmetz. Damit das auch in anderen Bereichen klappt, soll sich die Landesregierung etwas überlegen. „Wir brauchen landesweit einheitliche Kriterien für Hygienemaßnahmen“, sagt Steinmetz. Das gelte auch für Kontrollen in den einzelnen Städten und Gemeinden.
Mit der konkreten Gestaltung der neuen Öffnungs-Regeln ist er nicht zufrieden. „Das darf nicht von Verkaufsflächen abhängen“, sagt Steinmetz. „Das können wir nicht erklären, warum das an einer Quadratmeterzahl festgemacht wird.“ Der Bund hatte gefordert, zunächst nur Läden mit einer Größe bis zu 800 Quadratmetern zu öffnen. Das Land Nordrhein-Westfalen erlaubt Ausnahmen und lässt auch Einrichtungshäuser wieder arbeiten. Recht so, meint Steinmetz.
Für die Gastronomie ist der Neustart aktuell noch nicht absehbar. Steinmetz findet das problematisch. „Da brauchen wir wirklich eine Perspektive.“ Der IHK-Mann hält es für möglich, auch die Türen der Restaurants wieder zu öffnen. Dort könne man ebenso Abstände schaffen und mit einer maximalen Anzahl an Gästen arbeiten. Man müsse zudem über ein spezielles Unterstützungspaket für diese Branche nachdenken. Gleiches gelte im Übrigen für Caterer oder Techniker, die von Großveranstaltungen leben. „Da muss sich die Politik etwas überlegen, wenn sie Insolvenzen verhindern will.“