Interview mit Marketing-Beirats-Chef Karsten Eberstein: „Reißt das Seidenweberhaus ab“

Karsten Eberstein, Chef des Marketing-Beirats, mahnt Änderungen in der City an.

Krefeld. Seit 2005 treffen sich regelmäßig 25 kluge Köpfe, um über Krefelds Zukunft nachzudenken. Die Gruppe heißt Marketing-Beirat und ihre Aufgabe ist es, Konzepte zu entwickeln. Vorsitzender des ehrenamtlichen Gremiums ist Karsten Eberstein, der ehemalige Deutschland-Chef des US-Nahrungsmittelkonzerns Cargill. Mit der WZ zieht er eine Zwischenbilanz.

Herr Eberstein, ist Krefelds Eigenwerbung, eine „Stadt wie Samt und Seide“ zu sein, noch zeitgemäß?

Karsten Eberstein: Ich denke schon. In Krefeld lässt es sich gut leben, der Freizeitwert ist hoch. Mit unserer Textil-Geschichte müssen wir allerdings pfleglicher umgehen. Was sich im Haus der Seidenkultur und im Textilmuseum abspielt, ist nicht akzeptabel. Spenden reichen hier nicht. Die Stadt steht in der Verantwortung.

Was hat sich seit 2005 positiv entwickelt?

Eberstein: Die Einbindung privater Gesellschafter in die Wirtschaftsförderungsgesellschaft ist ein Meilenstein. In der Folge konnten zahlreiche Areale vermarktet werden. Unternehmen wie Siemens, Siempelkamp, Lanxess, Thyssen-Krupp und Xugong investieren in Krefeld. Der Rheinhafen bietet noch enorme Möglichkeiten.

Viele Krefelder beklagen den Zustand der Innenstadt. Ist die Kritik berechtigt?

Eberstein: Ja, hier haben wir Probleme. Allerdings gibt es inzwischen Strukturen, die Hoffnung auf Besserung machen.

Was meinen Sie?

Eberstein: Der Rat steht hinter dem Einzelhandelsgutachten von Junker und Kruse. Damit ist klar, dass es kein großes Einkaufszentrum geben wird. Die Innenstadt wird insgesamt als Lebens- und Erlebnisraum definiert. Daran müssen wir jetzt arbeiten.

Was heißt das konkret?

Eberstein: Zum Beispiel, dass wir das Seidenweberhaus abreißen sollten. Der Theaterplatz muss endlich zum kulturellen Zentrum der Stadt werden. Ich wünsche mir hier eine neue Architektur, die die Themen Veranstaltungen und Wohnen vernetzt.

Reizvoll erscheint mir auch die Idee, den Theaterplatz durch eine Brücke über die St.-Anton-Straße mit den Geschäften zu verbinden. Das ist im Übrigen der einzige Punkt aus dem Konzept des Projektentwicklers ECE, der mich überzeugt hat.

Was wird aus der Szene auf dem Theaterplatz?

Eberstein: Für die Szene müssen wir einen anderen Ort finden. Das Problem scheint mir durchaus lösbar. Unsere Nachbarstädte haben das auch geschafft.

Wie stehen Sie zum Stadthaus?

Eberstein: Ich finde das Konzept des Oberbürgermeisters, die Verwaltung in die Innenstadt zu verlagern, gut. Der Aufwand, das Gebäude von Egon Eiermann am Konrad-Adenauer-Platz zu sanieren, ist viel zu hoch. Bei der Miete für einen Neubau sind allerdings utopische Zahlen im Gespräch. 17 Euro pro Quadratmeter kann und darf die Stadt einem Investor nicht bezahlen.

Oberbürgermeister Gregor Kathstede hat seine Innenstadt-Vision vor einem Jahr vorgestellt. Dauert die Umsetzung nicht zu lange?

Eberstein: Immobilienprojekte brauchen Zeit. Hier geht es um Jahre, nicht um Monate. Aus meiner Sicht müsste der Verwaltungschef sich aber deutlicher an der laufenden Diskussion beteiligen. Als erster Bürger der Stadt muss er die Richtung vorgeben.

Welche Perspektive sehen Sie für das Stadtbad Neusser Straße?

Eberstein: Auch ich bin überrascht und enttäuscht, dass der türkische Investor abgesprungen ist. Trotzdem stehen wir nicht mit leeren Händen da. Das Basar-Konzept überzeugt mich nach wie vor. Wir sollten versuchen, auf dieser Basis private Geldgeber zu finden.

Der Marketing-Beirat beschäftigt sich künftig damit, die Perspektive Krefeld 2030 zu entwickeln. Wo liegen die Schwerpunkte?

Eberstein: In der Stadtentwicklung, über die wir schon gesprochen haben, und in der Kultur. Wir empfehlen, einen Masterplan Kultur zu entwickeln. Architektur spielt dabei eine herausragende Rolle. Durch das Wirken von Mies van der Rohe in Krefeld verfügen wir über ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich prima arbeiten lässt.

Wo bleiben die Krefelder bei diesem Prozess?

Eberstein: Wir wollen die Bürger stärker einbinden. Der Marketing-Beirat möchte Politik, Verwaltung und die Bürger vernetzen. Wir werden virtuelle Mitsprache ermöglichen, aber auch ganz reale Infoboxen aufstellen. Hier können die Krefelder ihre Meinung kundtun.

Welche Bedeutung hat der Zoo für die Zukunft der Stadt?

Eberstein: Der Zoo wird immer wichtiger. Mit meiner Idee, die Grotenburg zugunsten des Zoos abzureißen, konnte ich mich leider nicht durchsetzen. Aber die Entwicklung ist auch so sehr erfreulich. Ich verweise nur auf den neuen Gorilla-Garten.