Covestro hofft auf Betrieb Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Krefeld und Dormagen: Gericht weist Klagen ab
Eine 67 Kilometer lange Pipeline liegt seit 14 Jahren im Rheinland vergraben. Eines Tages soll durch das Rohr zwischen Krefeld und Dormagen hochgiftiges Kohlenmonoxid strömen. Doch noch leisten die Gegner hartnäckig Widerstand.
ähert sich ein scheinbar unendlicher Rechtsstreit doch dem Ende? Nach 16 Jahren hat das Düsseldorfer Verwaltungsgericht zwei Klagen gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld abgewiesen. Die Klagen zweier Frauen aus Ratingen und Hilden seien die letzten beiden gegen den Planfeststellungsbeschluss gewesen, mit dem der Bau der Pipeline genehmigt worden war, teilte das Gericht am Dienstag mit (Az.: 3 K 2188/07, 3 K 2218/07). Die Pipeline entspreche dem Stand der Technik.
Die Verfahren waren ausgesetzt gewesen, bis das Leitverfahren in der Sache rechtskräftig wurde. Zweieinhalb Stunden lang verhandelte das Gericht am Dienstag über die beiden Klagen. Dabei wurde deutlich: Die 67 Kilometer lange Pipeline stößt im Rheinland auf anhaltenden Widerstand.
Seit 2009 liegen die Rohre schon unter der Erde, doch noch immer fließt in ihnen kein Gas. Die Covestro Deutschland AG führt als Nachfolgerin der Bayer AG das Verfahren als Betreiberin fort. Sie hofft auf einen Betrieb frühestens in drei Jahren.
Es seien auch noch 25 weitere Klagen anhängig, darunter eine Verbandsklage des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, berichtete der Vorsitzende Richter Winfried Schwerdtfeger. Bei einem großen Teil der übrigen Klagen geht es um die Enteignungen für den Pipeline-Bau.
Die Gegner der „Giftgas“-Pipeline fürchten die Gefahr, den „lautlosen Tod“, der von dem geruch- und farblosen, hochgiftigen Kohlenmonoxid ausgehen könnte, sollte die Pipeline ein Leck haben: „Drei Atemzüge, dann tritt der Tod ein.“
110 000 Bürger hatten mit ihrer Unterschrift gegen den Bau der Pipeline protestiert, die kurioserweise zwei 40 Kilometer entfernte linksrheinische Chemiewerke verbindet, aber überwiegend rechtsrheinisch verläuft. In Krefeld-Uerdingen wird das Kohlenmonoxid bei der Produktion von Kunststoffen benötigt und dafür bislang eigens mit reichlich Energieaufwand produziert - in Dormagen fällt es dagegen als Abfallprodukt an.
Bereits 2006 beschloss der Landtag eigens ein Rohrleitungsgesetz, damit die Pipeline durch das Rheinland geführt werden kann. Inzwischen haben sich Oberverwaltungsgericht, Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht mit der Röhre beschäftigt.
Aus Ratingen bot Margarete Brockhaus und aus Hilden Claudia Roth für ihre Mutter Wilma am Dienstag der Phalanx der gegnerischen Anwälte Paroli. Die Klägerinnen kamen ohne Anwälte und sind längst Expertinnen in eigener Sache, wie sich schnell herausstellte.
Warum sie sich nicht geschlagen geben, wollte Richter Schwerdtfeger wissen. „Bei mir speziell ist einiges schief gelaufen. Es ist getrickst worden. Bei der Bauausführung wurde ständig vom genehmigten Plan abgewichen“, sagte Klägerin Brockhaus. Jedes Mal habe die Bezirksregierung die Änderungen erst nachträglich genehmigt.
In 16 Jahren habe sich einiges geändert, sagte Claudia Roth, die vor Gericht ihre Mutter Wilma aus Hilden vertrat. „Was im Boden liegt, ist etwas ganz anderes als das, was genehmigt wurde. Die Bauausführung entspricht nicht der Planfeststellung.“
„Die Bauausführung ist nicht Gegenstand der heutigen Prüfung. Den Zahn muss ich ihnen ganz unmissverständlich ziehen“, sagte Richter Schwerdtfeger. Doch genau dies bemängelten die Klägerinnen immer wieder und mit zahlreichen Beispielen.
Regelmäßig hätten sie die Bezirksregierung auf Fehler und Planänderungen hingewiesen. Deren Vertreter verteidigte die Behörde: Die habe alle Hinweise zur Bauausführung geprüft. „Kaum ein Bauwerk ist so umfangreich geprüft worden wie dieses.“
Der Vertreter von Covestro wies den Vorwurf zurück, es sei „getrickst“ worden. Sachverständige mit weltweitem Renommee stünden für Planung und Ausführung gerade. Die Ausführungen der Gerichte summierten sich auf Hunderte Seiten. „Es ist nichts getrickst worden, nichts schief gelaufen. Es ist nichts gemacht worden, was nicht geprüft und freigegeben wurde.“
Die Klägerinnen beharrten darauf: Die Planänderungen seien immer nachträglich erfolgt. Ob anderes Rohrmaterial, andere Rohrwandstärken, Abweichungen von der Trasse, nicht eingehaltene Abstände: Der Planfeststellungsbeschluss sei sukzessive „portioniert und aufgelöst“ worden. „Es ist einfach alles durchgewunken worden.“
Bei so einem komplexen Bauprojekt könne nicht alles vorhergesehen werden, konterte der Vertreter der Bezirksregierung. Dennoch habe die Behörde alle Änderungen ergebnisoffen geprüft. „Die Realität ist die, dass sich auf einer Baustelle Dinge anders darstellen als angenommen. Dennoch hat die technische Sicherheit nicht zur Disposition gestanden.“ Auf Baustellen sei es manchmal wie im Bergbau, sagte der Vertreter von Covestro: „Vor der Hacke ist es duster.“
Doch die Klägerinnen blieben hartnäckig: Das seien alles Ausreden für mangelhafte Vorplanung. So habe man einfach andere Rohre genommen, weil gerade keine anderen da gewesen seien. Und immer sei eine Zwangslage vorgeschoben worden.
„Ich verstehe die Irritation“, erwiderte der Vertreter der Bezirksregierung. Manchmal seien solche Projekte „strubbelig“. Deswegen seien sie aber nicht rechtswidrig. „Wenn etwas unzulässig verändert worden wäre, wäre der Bau gestoppt worden.“
Inzwischen sei die Pipeline mit ihren Sicherheitsvorkehrungen völlig aus der Zeit gefallen, argumentierte Claudia Roth. Dies bewiesen die Unglücke der vergangenen Zeit. „Inzwischen werden Löcher gerammt, unterirdisch vorgetrieben oder Erdraketen gezündet.“ Die Warnmatten, die oberhalb der Pipeline verlegt wurden, um ortsunkundige Baggerfahrer vom Weitergraben abzuhalten, seien inzwischen wirkungslos. „Die werden Baggerfahrer bei den modernen Bauverfahren überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen.“
Die Rohre seien tiefer verlegt als vorgeschrieben, hielten extrem hohen Druck aus und seien gegen Erschütterungen und Erdbeben geschützt, versicherte Covestro.
Wann die Pipeline nun je in Betrieb geht, blieb auch am Dienstag unklar. Vielleicht in drei Jahren. Die Klägerinnen können gegen die Urteile vom Dienstag noch in Berufung gehen.