Kranführer: Über den Dächern von Krefeld
Dinca Nicolae schwebt den ganzen Tag in 40 Metern Höhe. Der Arbeitsplatz des 52-jährigen Krankfahrers ist einsam, aber dafür mit einer der besten Aussichten auf die Stadt.
Krefeld. Schwindelfrei? Ja, das müsse man schon sein für diesen Job. Auch gute Augen, gute Reflexe und gute Nerven brauche er für seine Arbeit in luftiger Höhe, wo es bei Sturm schon ’mal ganz schön schaukeln kann. Dinca Nicolae bekräftigt seine Antwort mit freundlichem Nicken, während der hinzugerufene Dolmetscher sie Wort für Wort ins Deutsche übersetzt.
Der 52-Jährige ist Rumäne und auf der Baustelle an der Rheinstraße beschäftigt, wo derzeit der Neubau von Sparkasse und Westdeutscher Zeitung entsteht. Er ist der Mann, der ab 7 Uhr morgens in der 40 Meter hoch gelegenen Kanzel des "140 EC-H6" sitzt, des Turmdrehkrans 2. Die Bauarbeiten unterstützt er per Joystick und mit gutem Augenmaß.
Ein wenig verlegen rückt sich Dinca Nicolae die strahlend blaue Baseball-Kappe mit der italienischen Flagge zurecht. Die Sonnenbrille mit den dunkelbraun gefärbten Gläsern nimmt er lieber gar nicht erst ab. Die Aufmerksamkeit ist sichtbar ungewohnt für den Mann, dessen Job sonst ja eher ein einsamer ist.
Sein Arbeitsplatz steht zwar inmitten des Bautrubels. Doch die Kollegen machen ihre Pausen meist ohne ihn. Die knapp 160, fast senkrecht geneigten Leiterstufen des Turmdrehkrans mehrmals täglich ’rauf und wieder ’runter zu steigen, wäre schlicht zu zeitaufwändig. Und so bleibt Dinca allein in luftiger Höhe.
Immerhin sitzt er bequem auf seinem Stuhl, die Anweisungen der Kollegen erreichen ihn über Funk. Und wann immer es geht, kann er die Aussicht genießen. Wie es ihm über den Dächern von Krefeld gefällt? "Eine schöne Stadt." Überhaupt sei Deutschland ein schönes Land, die Straßen so sauber, die Luft so frisch, gibt der Dolmetscher wieder.
Brot, Früchte, Getränke und eine Tafel Schokolade nimmt Dinca Nicolae morgens in einer kleinen Tasche mit nach oben auf den Kran. Und was, wenn er mal muss? "Für den äußersten Notfall habe ich immer eine kleine Flasche dabei." Dinca grinst bei so viel neugierigen Fragen. Alles längst Routine für den ehemaligen Chauffeur, der in Kürze sein 30-jähriges Kranfahrer-Jubiläum feiert.
Darauf ist nicht nur er selbst, sondern auch der fünfjährige Enkel mächtig stolz. Dinca Nicolae ist verheiratet, doch seine Familie sieht er nur selten. Selbst an Weihnachten konnte er im vergangenen Jahr nicht nach Hause fahren.
Kreisende Armbewegungen sind für Dinca auch jetzt gerade das Kommando, die Laufkatze am 40 Meter langen Ausleger nach vorne und den Haken nach unten zu fahren. Die große, orangefarbene Schüssel zum Betongießen soll daran befestigt werden.
Für den Kran ist das ein Klacks bei einer Tragkraft von sechs Tonnen. Und für Dinca Nicolae höchste Konzentration an seinem Arbeitsplatz - der für ihn einfach nur einsame Spitze ist.