Buddenbrooks: Jenseits von Regen und Traufe
John von Düffel ist etwas Unmögliches gelungen: eine adäquate Bühnenfassung der „Buddenbrooks“. Am Samstag ist Premiere.
Krefeld. 800 Seiten Roman auf die Bühne gebracht, das lässt eigentlich nur zwei Optionen offen. Entweder das Publikum hält sich schon mal das ganze Wochenende frei. Oder vom Buch bleiben nur Schnipsel und Fragmente übrig - was gerade bei Thomas Mann den Blutdruck von Literaturfreunden vorsorglich nach oben treiben dürfte.
Glaubt man der Regisseurin Bernarda Horres und ihrer Dramaturgin Ulrike Brambeer, vermeidet John von Düffel mit seiner Bühnenfassung der "Buddenbrooks" sowohl Regen als auch Traufe und findet irgendwie einen dritten Weg. "Es ist überraschend, wie gut ihm das gelungen ist", findet Horres. "Er kopiert nicht und verkürzt nicht, sondern konzentriert sich auf das Wesentliche. Der Gestus und die Essenz des Romans bleiben erhalten." Die Montage aus Innenansichten und Dialogen hält sogar an vielen Originalsätzen Manns fest, obwohl die bekanntlich nicht gerade kurz und knackig sind.
Die Geschichte der wohlhabenden Kaufmannsfamilie, deren drei Kinder am ökonomischen Imperativ zerbrechen, hat Horres in die Gegenwart verlegt. "Es ist völlig langweilig, sich in einer niedlichen Vergangenheit aufzuhalten. Man muss jedes Stück als Teil von sich selbst erkennen", sagt die Regisseurin, die dieses Motto bereits mit "Yvonne, die Burgunderprinzessin" eindrucksvoll in die Tat umgesetzt hat.
Der Versuchung, den Stoff in Bezug zur Finanzkrise zu setzen, hat sie jedoch widerstanden: "Die Ökonomie spielt für mich keine Rolle", sagt sie. "Es geht um die Familie, um das Geschäft mit dem Leben." Horres sieht die Sippe als "Pulverfass, auf dem ein Deckel liegt - und ab und zu springt er ein bisschen auf". Das Stück handle "von Momenten, die man nicht haben möchte, vor denen man wegläuft".
Wie bei "Yvonne" hat sich Horres für ein abstraktes Bühnenbild entschieden, das wieder Anja Jungheinrich gestaltet hat. Ein großes, begehbares Regal teilt die Bühne in einen vorderen und einen hinteren Bereich, letzterer "ein Ort von Wunsch und Vergangenheit". Ob Thomas Mann das gemocht hätte? Horres ist sich nicht sicher: "Das Problem mit Thomas Mann ist doch: Wir unterstellen ihm ganz viel - aber irgendwie entwischt er immer wieder unseren Erwartungen."