Craig Taborn - Selbst Gershwin wird zum Experiment

Tief versunken und hochkonzentriert zeigt Pianist Craig Taborn sein Können.

Krefeld. Eigentlich spiele er keine Standards, erklärt Pianist Craig Taborn. Und dann spielt er ausgerechnet einen der süß-melancholischen Gershwin-Klassiker. Nach all dem, was man bis dahin im Foyer des Stadttheaters von ihm gehört hatte, war jedoch klar, dass er kaum eine gängige Interpretation von „But Not For Me“ abliefern würde. Auch Gershwins Song gerät ihm zum Experiment.

Der 41jährige Musiker aus Detroit gastiert auf Einladung des Jazzklubs ins Stadttheater. Bei seinen wenigen Ansagen wirkt er schüchtern. Sobald er am Klavier Platz genommen hat, versenkt er sich ganz in sein Spiel, beugt sich tief zur Tastatur herab.

Bei „But Nor For Me“ setzt er lange das linke Pedal ein, das — vereinfacht gesagt — die Lautstärke dämpft. Dumpf tupft er das Akkordgerüst des Songs hin, wobei er die einzelnen Akkorde so eng setzt, dass sich in ihren Binnenräumen Reibungsschwingungen ergeben. Taborn interessiert sich weniger für die Melodie, die immer wieder zu erahnen ist, als vielmehr für das Schwingen der Obertöne. Er sucht den freien Klang, nicht das Gewohnte.

Das Meiste von dem, was Musik eingängig macht, verweigert Taborn auch bei seinen freien Improvisationen: Funktionsharmonik, gebundene Rhythmik, nachvollziehbare Melodien. Rhythmisch gebundene Läufe der Rechten tauchen zwar auf und entwickeln dank präziser Phrasierung auch Sogkraft, aber dann lässt er die Linke dazu gleichzeitig vereinzelte Töne im schweren Rubato tropfen.

Neue Musik hat Taborn eindeutig mehr inspiriert als der Jazz. Selbst bei minimalistischen Passagen, die mit ihrem repetitiven Charakter zugänglicher sein könnten, legt er die Ausgangsmotive so schräg an, dass Zuhören zur Konzentrationsübung wird.

Die Grenze zum Zufall überschreitet Taborn höchst selten, etwa wenn er sich zu Clustern hinreißen lässt. Meist setzt er seine Mittel virtuos und kalkuliert ein, die lyrische Kraft seines Spiels resultiert nicht zuletzt aus einer sehr disziplinierten Spielkultur. Taborns freie Musik ist also das Produkt meisterlicher Beschränkung, das macht sie trotz aller Sperrigkeit höchst interessant.