Feinschliff für Piano-Talente

Der Klaviervirtuose Michel Béroff gibt Meisterkurse im Haus Sollbrüggen. Veronika Böhmova gehört zu den Schülern.

Krefeld. Bereits auf dem Hof hört man, dass da nicht irgendwer spielt. Aus dem Orchestersaal der Musikschule im Haus Sollbrüggen dringt Mozart ins Freie, aber auf was für einem Niveau. Die Italienerin Leonora Armellini spielt noch einmal nach, was ihr der Piano-Weltstar Michel Béroff gerade gezeigt hat, und dann darf die nächste Schülerin Platz nehmen: Die junge Tschechin Veronika Böhmova hat sich „Gaspar de la Nuit“ von Maurice Ravel zum Vorspiel ausgesucht.

Eine Woche lang gibt der französische Pianovirtuose Béroff Meisterkurse in der Krefelder Musikschule. Der Pianohersteller Kawai, der im Europark Fichtenhain seine Europazentrale betreibt, hat zehn junge Nachwuchspianisten aus der ganzen Welt dazu eingeladen. Zum sechsten Mal seit 2005 findet das hochrangige Ereignis in Krefeld statt.

Peter Grote, künstlerischer Leiter von Kawai, ist weltweit auf den bedeutenden Klavierwettbewerben unterwegs. Hier fischt er sich die Talente heraus, die er dann zu den Meisterklassen nach Krefeld einlädt. „Die haben schon ausstudiert“, sagt Ralph Schürmanns, Leiter der Krefelder Musikschule. „Die holen sich hier den Feinschliff, stehen meist am Anfang einer Karierre.“

Veronika Böhmova ist 26 Jahre alt und hat bereits mehrere renommierte Wettbewerbe gewonnen. Bevor sie sich auf den Klavierschemel setzt, streift sie die Schuhe ab, die Pedale bedient sie barfuß. Ein kurzer Blick nach oben, die Hände schweben schon über den Tasten, dann beginnt sie mit dem ersten Satz von „Gaspar de la nuit“. Das Tempo ist getragen, die pianistische Schwierigkeit dieses ersten Satzes liegt nicht in hohen Anforderungen an die Geläufigkeit. Hier gilt es, die Farben der Akkorde herauszuarbeiten, und im letzten Teil darf die Spannung nicht abfallen.

Béroff sitzt an einem zweiten Flügel, vor sich die Noten des Stücks. Er hat die Arme verschränkt, folgt dem Vortrag Böhmovas in den Noten. Dann linst er über seine Brille hinweg zu der jungen Tschechin, wendet sich wieder ab, macht sich eine kleine Notiz in den Noten.

Der erste Satz ist vorbei, sofort wendet sich Böhmova dem Meister zu. Der lächelt und sagt auf Englisch: „Sehr hübsche Farben“ — dann folgt die Kritik. Der letzte Teil war ihm etwas zu spannungsarm. Das lag offenbar an Details. Er spielt vor, Böhmova spielt kurz nach. Ein Nicken. Man versteht sich.

„Hier geht es natürlich nicht mehr ums pure Handwerk“, sagt Ralph Schürmanns. „Hier geht es nur noch um die Interpretation.“ Béroff ermutige seine Studenten, die Konturen eines Werks deutlicher herauszuarbeiten, er achte auf rhythmische Präzision, lege ihnen nahe, über den einzelnen Abschnitten nicht den großen Bogen aus dem Blick zu verlieren.

„Das ist schon ein wahnsinnig hohes Niveau, auf dem Béroff unterrichtet“, sagt Schürmanns und bedauert ein wenig, dass nur so wenige Krefelder die Gelegenheit wahrnehmen, bei den Unterrichtsstunden Mäuschen zu spielen. „Jeder kann kommen“, sagt Schürmanns, „man muss sich nur leise hereinschleichen.“