Jazzkeller: Fern von Gejammer und Wehklage
Paul Millns singt melancholisch von der unglücklichen Liebe.
Krefeld. Eine Strophe ist nach zwölf Takten zu Ende, die Stimme des Sängers ist rau, doch nicht heiser, die Stimmung des Songs melancholisch, wenn auch nicht weinerlich. Blues gibt es hier zu hören, als Stil die Urmutter von Jazz, Rock und Soul. Der Engländer Paul Millns brachte ihn nach Krefeld, auf Einladung der Habima-Reihe der Jüdischen Gemeinde gastierte er im Jazzkeller.
Es war in den 1960er Jahren, als junge Briten den afroamerikanischen Blues für sich entdeckten. Alexis Korner und John Mayall galten als die Väter des „weißen Blues“. Beide stehen auf der Liste der Musiker, mit denen Millns zusammengearbeitet hat. Sein Alter verrät der Pianist und Sänger auf seiner Homepage zwar nicht, aber die 60 sollte er locker überschritten haben.
Der hagere Brite, das schüttere graue Haar nach hinten gekämmt, sitzt leicht gekrümmt am Klavier, das er stilsicher bedient. In den mittleren bis schnellen Tempi spult die linke Hand die typischen synkopierten Ostinato-Bässe ab, die rechte setzt Akkorde, Triller und Tremoli — und das alles ist reichlich von Blue Notes durchsetzt. Da ist Millns nahe am Boogie Woogie, langsame Balladen kommen als Ausnahmen auch vor.
Millns’ Hauptstimmlage ist Tenor, raukehlig holt er ab und zu im Bariton von unten Schwung. Bei aller Rauheit bleibt die Stimme aber immer fest, sein Blues ist fern ab von Gejammer und Wehklage. In seinen Texten besingt Millns die unglückliche Liebe, auch ist vom Kentern die Rede, natürlich metaphorisch. Aber auch die Freiheit des Drahtseiltänzers, der ohne Sicherheitsnetz auskommt, ist Thema, und natürlich das Leben in der großen schmutzigen Stadt, das ist in Millns’ Fall London.
Im Musikzirkus spielt der Blues längst keine große Rolle mehr, Millns zeigte jedoch jenseits von Nostalgie, wie lebendig man ihn immer noch spielen kann.