Tipp Kultur trotz Corona: Wieso nicht mal Kraftwerk hören?

Serie Kultur trotz Corona: Heute möchten wir die vor 50 Jahren von dem Krefelder Ralf Hütter gegründete Band in den Fokus rücken.

Die Elektro-Band Kraftwerk mit dem Krefelder Ralf Hütter (l.) wurde vor 50 Jahren gegründet.

Foto: picture alliance / Oliver Berg/d/Oliver Berg

Für manche von uns mag die aktuelle Zeit ein wenig anmuten wie eine nicht enden wollende Autobahnfahrt – nur, dass sich die Landschaft vor den Fenstern nicht unentwegt im schnellen Wechsel ändert. Zugegeben, dieser Vergleich ist etwas weit hergeholt – aber besondere Situationen erfordern besondere Vergleiche. Immerhin möchten wir heute in unserem „Kultur trotz Corona“-Programm empfehlen, sich vielleicht nochmal oder auch je nach musikalischer Vorgeschichte zum ersten Mal mit einer Band zu befassen, in deren Werkgeschichte eine Autobahnfahrt einen markanten Punkt kennzeichnet.

Eingefleischte Fans werden es schon wissen. Neulinge, die wir hier gerne auch ein bisschen dazu verführen wollen, vielleicht nun doch mal die Zeit der kulturellen Isolation zu nutzen, jene Band für sich zu erkunden, brauchen vielleicht einen Hinweis mehr: „Das Model“.

Ihre Musik lebt auch
von Gegensätzen

Übrigens, die Düsseldorfer Band Kraftwerk wurde 1970, also vor 50 Jahren, von dem gebürtigen Krefelder Ralf Hütter gemeinsam mit Florian Schneider gegründet. Und seitdem haben die Musik, aber auch die ästhetischen Ideen an sich dieses Kollektivs viele musikalische Strömungen beeinflusst. Aus der Keimzelle des Kling-Klang-Studios an der Mintropstraße in Düsseldorf (2009 zog man nach Meerbusch um) ließen die elektronischen Klangtüftler in stets wechselnden Besetzungen immer neue – bisweilen revolutionäre – Musikästhetiken in die Welt hinauswehen.

Immer minimalistisch in der Form, großzügig und weit in der zeitlichen Perspektive, reduziert in der Motivik und maximalistisch in dem Ausschöpfen von elektronischen Klangmöglichkeiten. Klingt widersprüchlich? Aber genau in dieser Vermengung von sich eigentlich wiederstrebenden ästhetischen Grundpfeilern liegt und lag der Zauber von Kraftwerk – von dessen Stammbesetzung übrigens nur noch Ralf Hütter in der Band verblieben ist. Aber auch das ist halb so wild – sagen viele. Wieso? Weil gerade auch eine weitere Widersprüchlichkeit kennzeichnend für so vieles ist, was Kraftwerk so groß gemacht hat. Das Menschliche und Entmenschlichte im dialektischen Diskurs. Kurz: die Mensch-Maschine. Bei der einerseits das einzelne Individuum fast uninteressant wird, die Stimmen und Klänge lediglich kühl und unpersönlich elektrisch daherkommen mögen. Aber andererseits die tief menschlichen Motive und Themen, die die Band in ihren Kunstwerken behandelt. Da stecken viel Sehnsucht, viel Melancholie, Neugierde und manchmal auch die Faszination am Schrecklichen. Alles sehr menschliche Motive, trotz der Maschine.

Was interessant ist zudem: So wie die Umstände, die Menschen, unsere Geschichte sich ändert, verändert sich auch das Projekt Kraftwerk, ihre Songs mutieren mit der Zeit. Beispielsweise auf sehr augenscheinliche Art der Song „Radioaktivität/Radioactivity“ von ihrem fünften Album „Radio-Aktivität“ aus 1975, das sie später mit Verweisen zu den Schattenseiten der Atomkraft versahen. So oder so - was Kraftwerks Musik ausmacht, ist ihre zeitlose Qualität. Seien es Welt-Hits wie eben „Das Model“, „Die Roboter“ oder „Autobahn“, letzterer motiviert fast schon zu einer Art Meditation, seien es Geheimtipps wie der Track „Franz Schubert“ vom Trans Europe Express Album, das wie eine Offenlegung von Inspirationsquellen, fast als ein Lüften von Geheimnissen begriffen werden könnte.

Oder das auf dem gleichen Album befindliche – auch musikalisch – philosophisch selbstreflexive Stück „Spiegelsaal“. Das als treffliches Beispiel für Kraftwerks düstere, innerliche und fast romantische Seite stehen kann. Eine Seite, die vielleicht gerne mal unter den Tisch fällt. Seien es sogar poetische Meisterwerke voller Klangkunst wie „Mitternacht“ vom „Autobahn“-Album aus 1974.

Werk der Band bietet auch mal Leichteres und was fürs Herz

Schlussendlich findet jeder, der nicht per se auf Kriegsfuß mit elektronischen Klängen ist, seine persönlichen Highlights im großen Werk Kraftwerks. Auch mal Leichteres, vielleicht sogar was fürs Herz. Denn will man sich Kraftwerks Musik nähern, gibt es mehrere Möglichkeiten. Vielleicht erstmal mit den absoluten Must-have-Hits – siehe oben – anfangen, die fast jeder kennt? Oder doch chronologisch Album für Album. Oder man möchte sich doch auch ein Bild von den auch besonderen Konzerterlebnissen mit Kraftwerk machen. Stöbern lohnt sich.

Kraftwerk findet sich auf allen Streaming-Plattformen. Eine reichhaltige Video-Auswahl gibt es auf dem offiziellen Youtube-Kanal, weitere Informationen auch auf der Webseite der Band.