Lesung von Jürg Amann: Im Rhythmus der Sprache
In der Stadtteilbücherei Uerdingen hat Jürg Amann aus „Die kalabrische Hochzeit“ gelesen.
Krefeld. Um die Liebe und den Tod geht es im Roman „Die kalabrische Hochzeit“: Der Schweizer Autor Jürg Amann beendete mit seiner Lesung in der Uerdinger Bücherei am Donnerstag den Krefelder Teil des Literarischen Sommers. Die Temperatur im Herbertzhaus entsprach dem Titel der Reihe. Der Saal war ausgebucht.
Mit einer Reise in der Eisenbahn, von Triest bis Kalabrien, setzte der Autor ein. Emma fährt nach Süden und besinnt sich in der Hitze des Sommers auf ihre Vergangenheit. Sie springt in Zeit und Erinnerungen vor und zurück, die Landschaft zieht an ihr vorbei. In Amanns Sprache spiegelt sich der Rhythmus der Zugfahrt — immer wieder Schwellen, die es zu überwinden gilt.
Emma lebt zwei Leben, zwischen Ehemann und Geliebtem, von dem der erstere nichts weiß. Ihre große Liebe ist Lorenzo, den sie in Bologna trifft. Seine Anziehungskraft ist physisch, er trifft auch andere Frauen. Doch Emma heiratet später Carlo, bekommt ein Kind und zieht nach Triest. Und trifft sich Jahre danach doch wieder mit Lorenzo.
Bei der Lesung berichtet der Autor davon, woher der Stoff stammt: „Mir hat eine Frau ihre Geschichte ans Herz gelegt“, sagt er. Und Jürg Amann hat sie aufgeschrieben, so wie sie ihm erzählt wurde, mit Brüchen, mit Geheimnissen und Unklarheiten. Daher auch seine Antwort auf eine Zuhörerfrage, ob er Emma eine Entwicklung gegeben habe. „Ich habe nur die Entwicklung aufgeschrieben, die sie mir offenbart hat. Daher ist sie so ambivalent“, sagt Amann.
Seinen Roman sieht er als „Selbstvergegenwärtigungsprosa, in einem Wechsel aus innerem Monolog und Reflexion“. Das klingt kompliziert, ist es aber beim Zuhören überhaupt nicht.
Der Autor, mit seinem leichten schweizerischen Akzent, zieht sein Publikum stark in den Bann . „Ich schreibe ununterbrochen, das ist meine Art der Teilnahme am Leben“, erzählt Jürg Amann. Eine Zuhörerin konnte sich noch an eine 16 Jahre zurückliegende Lesung im Südbahnhof erinnern: „Es roch sehr modrig.“ Auch damals wurde Amanns Lesung offenbar mit allen Sinnen aufgenommen.