Museums-Serie Minimalismus hoch zwei
Serie | Krefeld · Wir stellen Räume der Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld vor: Diesmal im Fokus sind Monochrome und elementare Formen
Reduktion oder Minimalismus, das Beschränken der Mittel auf eine ganz schmale und fokussierte Palette ist in sich ein weniger einheitliches Phänomen, als man vielleicht denken würde. Gerade in der Kunst oder auch im Design treffen wir immer wieder auf Strömungen und Momente, die eben jene Reduktion suchen – dies aber nicht selten aus unterschiedlichen Beweggründen heraus, mit unterschiedlichen Dimensionen. Ähnliche Phänomene finden sich übrigens auch in der Musik. So ist vom Prinzip her so manche Schöpfung der sogenannten Minimal-Music nicht weit davon entfernt, was uns beispielsweise bei so manchen auf Sequenzierung basierenden barocken Werken begegnet.
Zwei Räume und zwei Phänomene aus den 1960er Jahren
Auch in der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld finden sich in ihrer Anmutung minimalistische Werke unterschiedlicher Couleur. In unserer Serie, die Räume der neuen Sammlungspräsentation im Kaiser-Wilhelm-Museum beleuchtet, stellen wir diesmal zwei Pole dieses „Minimalismus“ gegenüber. Den Raum „Look Minimal“ und den Raum „Farben reiner Empfindung“.
Zwei Räume, die Phänomene vorstellen, die schlussendlich einerseits sehr unterschiedlich und dann doch ähnlicher sind; mit solchen Widersprüchlichkeiten muss man in der Kunstbetrachtung leben. Auf der einen Seite haben wir den Minimalismus der 1960er Jahre, wie er uns bei Sol LeWitt oder dem Designer Angiolo Giuseppe (AG) Fronzoni begegnet, auf der anderen Seite das Œuvre des französischen Künstlers Yves Klein. Und ist gerade nicht eine hermeneutische Vieldeutigkeit in der Betrachtung von Kunst etwas, was uns jeweils aufs Neue dazu motiviert Kunst anzusehen, sie zu betrachten, auf uns wirken zu lassen. In seiner Vielseitigkeit bietet das überzeugende nach Themenfeldern – ja „Geschichten“ – gruppierte Konzept von „Sammlung in Bewegung“, so der Name der Präsentation in 15 Räumen im ersten Obergeschoss des Museums.
Yves Kleins Minimalismus
hat spirituelle Qualitäten
Beginnen wir mit Yves Klein, geboren 1928 in Nizza und viel zu früh 1962 verstorben. Selbst Menschen, die sich weniger intensiv mit französischer Kunst aus der Mitte des 20. Jahrhunderts befassen, dürften indes das unangefochtene Markenzeichen des Künstlers kennen: Ultramarinblau. Das er sich sogar als International Klein Blue (I.K.B.) patentieren ließ.
Ein mattes, den Betrachter in unendliche Tiefe und Leere zugleich hineinziehendes Blau, das der Künstler auf monochromen Bildern einsetzte oder zur Einfärbung von Schwämmen nutzte. Doch dieser einfarbige Minimalismus ist nur die eine Seite. Es wäre allzu oberflächlich, den mystisch und philosophisch hochgebildeten Mann darauf zu reduzieren. Denn hier weisen die Monochromen, die auch mal golden oder rot sein können, weit über ihre reine Farbigkeit hinaus, stehen sie auch einerseits für die reine Präsenz einer Farbe. So hat Blau etwas Universelles und Gold kann, wie durchaus in mystischen Kulten üblich, als Verbindungsglied in spirituelle Sphären begriffen werden.
Wie sehr es Klein auch bei seinen Performances, bei denen er stets elegant im Anzug gekleidet und mit Begleitung von Streichinstrumenten auch mal Frauen als lebendige Pinsel nutzend provozierte, um „Höheres“ ging, wird auch deutlich, wenn man sich seine einzige Museumsausstellung zu Lebzeiten im Krefelder Haus Lange vergegenwärtigt. Absolute Leere, der Raum als Ort, um die Schwingungen drumherum aufzufangen. Klein, der der Welt der Meditation sehr nahe stand, schuf mit seinem „Minimalismus“ eine sinnlich wahrnehmbare Kunst, die aber mehr auf innerliche Wirkung zielt als vielleicht vermutbar. Insofern stimmt der Titel „Farben reiner Empfindung“.
Schwarz, weiß, vielleicht
noch grau ist die Welt
Ganz pur und reduziert wirken die Arbeiten auch in dem Raum „Look“ Minimal. Doch zeigt sich der Minimalismus hier nicht wie bei Klein in der vergeistigten Reduktion auf monochrome Farbflächen voller Leben, sondern im absolut – im eigentlichen Sinne des Wortes, also losgelöst – asketischen Umgang mit Farbe. Schwarz, weiß, vielleicht noch grau ist die Welt, die sich hier zeigt.
Serielles Arbeiten, was auch in der Musik seine bisweilen etwas skurrilen Spuren hinterließ, wurde in den 1960er Jahren auch in der Kunst Mode. Also das Ausmerzen von individueller Lenkkraft des Künstlers zugunsten von vorgefertigten Prozessen und Algorithmen, die bei der Produktion von Schöpfungen ablaufen. „Minimal Art“, die so minimal ist, dass sie sich fast in das Zelebrieren von „Nichts“ steigert. Indes ganz anders als in der sphärischen Körperlosigkeit eines Klein. Hier steht Logik, System und Struktur auf der Agenda. Wie in den Objekten der Werkreihe „Serial Project No. 1“ von Sol LeWitt.
Oder in den grafischen Plakat-Arbeiten von Fronzoni, die sich ganz reduziert auf sehr begrenzte Schrifttypen und Formen reduzieren. Zeitgleich mit herrlichen Ideen auftrumpfen, die durch die Fokussierung noch prägnanter wirken. Wie etwa sein Plakat für eine Fontana-Schau – jener Künstler, der Leinwände aufschnitt –, das eine „aufgeschnittene“ vertikale Schriftzeile auf weißem Grund zeigt. Eine Ankündigung einer Ausstellung dieses Künstlers kann man nicht treffender auf den Punkt bringen. Genauso auf den Punkt wie die modularen Interieur-Systeme des Architekten Fronzoni. Minimalismus hat viele Gesichter.