Puccini-Abend: Das Kloster ist die Hölle
Der Puccini-Abend im Theater provoziert — Applaus und Buhrufe für die Regisseurin.
Krefeld. Zwischen „Agnus Dei“ und Kräutergärtlein finden sie ihr Seelenheil. So hat man sich das Klosterleben lange vorgestellt, gerade auch für „gefallene Mädchen“, die hier Aufnahme fanden.
Das Kloster ist eine Hölle, das demonstriert hingegen Regisseurin Beverly Blankenship bei der Operpremiere mit Puccinis Einaktern „Le Villi“ und „Suor Angelica“. Sie dockt damit zwei verstaubte Geschichten an die aktuelle Missbrauchsdebatte an. Das gelingt ganz großartig.
Försterstochter Anna (Janet Bartolova) wird vom Bräutigam Roberto (Kairschan Scholdybajew) verlassen, grämt sich, stirbt. Herrjemine. Die Tote schließt sich der Frauengeisterbande „Die Willis“ an, die untreue Männer in tödliche Tänze verstrickt. So der Plot von Puccinis Debütwerk.
Bei Blankenship liefert Vater Guglielmo (Ogor Gavrilov) seine schwangere Tochter Anna im Kloster ab, das Bühnenbilder Christian Floeren als Waschraum mit Kachelboden angelegt hat. Dort muss sie sich Gefängnisriten unterziehen und erinnert sich an ihre Geschichte mit Roberto. So bekommt der eigentlich dürre Plot neue Energie. Bartolova singt sehnsüchtig die Arie, mit der sie sich an ihre aufkeimende Liebe erinnert, dann wird ihr der Zopf abgeschnitten. Das sitzt.
Ein Faustschlag der Oberin führt zur Totgeburt des Kindes, das lässt Anna wahnsinnig werden. Blutverschmiert treibt sie Roberto, der reumütig zurückgekehrt ist, in den Tod. Geisterbräute ade, willkommen Wahnsinn — das macht traurigen Sinn.
Blankenship nimmt beim ersten Stück des Abends das Milieu vorweg, in dem das zweite spielt. Schwester Angelica (Dara Hobbs) hat ein uneheliches Kind geboren, worauf sie ins Kloster abgeschoben wurde. Sexuell missbraucht wird auch hier, zwar oft am Rande, aber auffällig genug. Es wird genäht, gewaschen, der Boden geschrubbt — das Leben als erzwungene Zeitverschwendung.
Eine fürstliche Tante (wunderbar bösartig: Eva-Maria Günschmann) kommt zu Besuch und diktiert Angelica den Verzicht aufs Familienerbe. Beiläufig teilt sie ihrer Nichte mit, dass ihr Kind schon vor Jahren gestorben ist. Daran zerbricht Angelica, richtet sich mit Gift. Schickt Puccini ihr Erlösung in Form der Mutter Gottes, macht Blankenship ein anderes Angebot: Sie hängt einen weiblichen Jesus auf die Bühne — mit entblößtem Busen.
Sehr viel Applaus für die vorzügliche Dara Hobbs, kaum weniger für Janet Bartolova. Herzlicher Applaus für das Orchester unter Graham Jackson, Ensemble, Chor, Statisterie. Für Blankenship gab es reichlich Applaus, aber auch etliche Buhrufe.
Weitere Termine: 11., 17. Juni, fünfmal im Juli. Karten: Telefon 805 125.