Radikaler Avantgardist mit Liebe zum Detail
Zu Lebzeiten hatte es Ludwig Mies van der Rohe schwer in Deutschland. Der Ausnahme-Architekt starb 1969 in Chicago.
Krefeld. Es ist bezeichnend, dass der Entwurf Mies van der Rohes für ein Glashochhaus an der Berliner Friedrichstraße der Jury 1922 zu gewagt erschien. Viele Jahre später setzte er seine Idee um, allerdings in den USA. Morgen wäre er 125 Jahre alt geworden, der weltberühmte Architekt der Moderne im 20. Jahrhundert. Seine zentrale Frage, wie Architektur und Design zeitgemäß sein können, sei auch im 21. Jahrhundert noch aktuell, meint die Kunst- und Designhistorikerin Gerda Breuer.
„Friedrichstraße, das war wahrscheinlich zu radikal. Damals begann man sich in Deutschland erst mit den amerikanischen Hochhäusern auseinanderzusetzen“, sagt die Wissenschaftlerin. Mies dachte in der Kategorie „Weniger ist mehr“, konzentrierte sich auf das Wesentliche, suchte das technisch Machbare, radikal und kompromisslos. Er plante Gebäude aus Stahlbeton, große Räume mit riesigen Spannweiten, atemberaubend.
Feinste Anzüge, Seidentuch und Zigarre im Mund - der Hang zur Eleganz war unverkennbar. Er wurde als „unglaublicher Ästhet“ geschätzt, als Perfektionist, mit der Liebe zum Detail. Seinem Architekturbüro in Chicago werden Milliardenumsätze nachgesagt. „In den USA ist er ein ganz wichtiger Mann, hatte große Verehrer. Der Nachlass befindet sich im Museum of Modern Art“, sagt Breuer.
Eine atemberaubende Karriere für den Mann aus einer kleinen Aachener Handwerksfamilie. Mit 38 Jahren machte er einen Schnitt bei den historischen Baustilen: „Auch die stärkste künstlerische Begabung muss daran scheitern“, schrieb er. Er wurde zum radikalen Neuerer des Bauens und erfand sich neu — auch mit einem Kunstnamen. Ludwig Mies fügt den Nachnamen seiner Mutter an und nennt sich Mies van der Rohe. „Ich denke, dass er sich als Avantgardist inszenieren wollte“, kommentiert das die Wuppertaler Historikerin.
Er schafft den Durchbruch mit dem deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona 1929, einem der berühmtesten Werke der Architekturgeschichte: klare Linien, einfache Formen, das Dach aus Stahlbeton, dezente Stahlstützen, Raumeinheiten. Perfektion bis hin zum Stuhl. Mies entwirft mit dem Stuhl „Barcelona“ einen Meilenstein im modernen Design, der heute immerhin noch einige tausend Euro kostet.
Wegen der Nazis emigriert Mies van der Rohe 1938 in die USA, baut dort seine Wolkenkratzer und Hochhäuser. Erst kurz vor seinem Tod entsteht 1965 in Deutschland mit der Neuen Nationalgalerie in Berlin das einzige öffentliche Gebäude von ihm in Deutschland. dpa