Langer Weg zurück ins Leben
Im Tersteegen-Haus werden zurzeit 20 Wachkoma-Patienten betreut. Angehörige und Freunde sind ihre Bezugspersonen.
Krefeld. Das Motto, das vorne an der Fassade des Gerhard-Tersteegen-Hauses prangt, passt auch zur Wachkoma-Station, die dort untergebracht ist: „Vivimus ex uno“ (Wir leben aus dem Einen).
So soll es auch den Menschen auf der Station gehen: Sie werden wahrgenommen in ihrer Einzigartigkeit. Derzeit beherbergt das evangelische Altenhilfezentrum an der Virchowstraße, das vom Neukirchener Erziehungsverein getragen wird, 20 Menschen im Wach-Koma-Stadium.
„Wir sind nur ein kleiner Kreis von Betroffenen und ihrer Angehörigen“, sagt Manfred Ernst. Der Vater einer Wachkoma-Patientin arbeitet in einer bundesweiten Selbsthilfegruppe mit, er will mit diesem Thema stärker an die Öffentlichkeit gehen. „Wir wollen mehr Möglichkeiten schaffen, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Erfahrungen weiterzugeben. Außerdem möchten wir Weiterbildung zum Thema anbieten.“ Angehörige und Freunde solcher Patienten aus Krefeld, Duisburg und Umgebung treffen sich jeden zweiten Mittwoch im Monat, 17 bis 19 Uhr, im Tersteegen-Haus.
Judith Faust arbeitet als Psychologin seit sechs Jahren in dieser Abteilung. Sie erklärt: „Hierher kommen Menschen, die vorher auf Intensivstationen waren — nach schweren Hirnschädigungen, die nach Unfällen oder Herzinfarkten auftreten.“
Die Psychologin verweist darauf, dass solche Patienten eine intensive 24-Stunden-Betreuung brauchen. Ziel der Station sei es, sie bis zur häuslichen Pflege zu führen. „Angehörige oder Freunde spielen dabei eine ganz wichtige Rolle, weil sie Bezugs- und Vertrauenspersonen sind, die bei der Wiedererlangung des Gedächtnisses helfen können.“
Hans Bräunl ist eine solche Bezugsperson, die seinen Freund Jochen seit drei Jahren dabei unterstützt, wieder zurück ins Leben zu finden. „Ich helfe jetzt bei der Musiktherapie, dass Jochen trommeln lernt. Jede kleine Bewegung ist dabei ein Fortschritt.“
Oberflächlich vermitteln Wachkoma-Patienten den Eindruck, dass sie ihre Umgebung nicht wahrnehmen. Dem widerspricht Dirk Achtelik nachdrücklich. Er hat drei Jahre in diesem Zustand verbrachte: „Jeder bemüht sich, den Kranken nicht zu stören. Aber der will gestört werden, er will Kontakte, er will Menschen um sich. Er nimmt alles wahr, was um ihn herum geschieht. Er kann sich bloß nicht richtig bemerkbar machen.“ Achtelik wurde von seiner Freundin gepflegt. Tag für Tag. Heute ist er vollständig erholt und mit ihr verheiratet. Die beiden haben einen einjährigen Sohn.