Laufmasche: Heute ist der letzte Ausstellungstag
Bis Freitagabend können die Kollektionen der jungen Modedesigner noch bestaunt werden. Ab 18 Uhr gibt es dann die Preisverleihung in der Shedhalle der Alten Samtweberei.
Mitte. Die Spannung steigt. Freitagabend steht die Verleihung der Goldenen Seidenschleife an. Dann wird klar, wer von den 19 jungen Designern den Preis bekommt. Bis dahin ist aber noch ein wenig Zeit. Deshalb gibt es an dieser Stelle noch eine Übersicht über die Modemacher, die wir bisher noch nicht vorgestellt haben.
„Vintagepatch“ von Annika Balter ist im Container 1 am Evangelischen Kirchplatz zu sehen. Die Kollektion, die zu 95 Prozent aus recycelten und aufgewerteten Reststoffen besteht, zeigt Mosaike aus recycelter Tradition. Die „Rohstoffe“ kommen von lokalen Unternehmen. Die Summe der einzelnen Stoffreste ergibt — zusammengefügt wie ein Mosaik — ein textiles Kunstwerk. Ausgediente Kleidungsstücke landen nicht auf dem Müll, sondern bekommen einen neuen Nutzen. Diese ursprüngliche Idee und ihre konsequente Weiterentwicklung prägen die Kollektion der Designerin.
Im Container 2 am Evangelischen Kirchplatz ist „Obscure Vision“ von Ana Victoriana, dem Duo Katharina Gorin & Lady Karla Rabe zu sehen. Die Prêt-à-Couture Kollektion thematisiert die seelischen Abgründe des Menschen vor der Kulisse des Viktorianischen England. Als Inspiration dienten die Horror-Serie Penny Dreadful und die American Horror Story. Die Kollektion richtet sich an Menschen, die gerne Extravagantes tragen, Wert auf Nachhaltigkeit und Qualität der Stoffe legen und gerne Neues mit Secondhand Kleidung kombinieren.
„Fading Nature“ von Henriette Dresbach ist auf dem Platz an der Alten Kirche im Container 7 zu sehen. Rinden, Flechten und Rost werden überführt in Prints, Strickmuster und Schnitte. Fading Nature ist inspiriert von Oberflächen und Strukturen aus der Natur. Fotos dieser Oberflächen dienen als Grundlage für Prints, Muster, Schnitte und die Farbwelt der Kollektion. Dadurch entsteht ein angenehmes Farbspiel von braun, rost, grün, gelb und blau. Auch für die Accessoires ist die Natur Inspiration und sogar Formgeber. Zum Beispiel dienten Gipsabdrücke von gesammelten Rindenstücken als Gussformen. So entstanden Ohrringe, Ketten und Armreifen mit einzigartiger Form. Fading Nature setzt sich mit der Stricktechnik als wichtiges Element von Zukunftsmode auseinander.
Ebenfalls auf dem Platz an der Alten Kirche zu sehen ist die Kollektion von Kaone Mabina im Container 8. Hier zeigt die Designerin postmoderne Paradigmen gepaart mit feinen kantigen Details in ihrer Kollektion „MO70“. Hier spiegelt die Leidenschaft für sauber geschnittenes, architektonisches und von Hand Kreiertes wider. MO70 ist inspiriert durch Kindheitserinnerungen an einen abgelegenen Ort in Botswana, an eine Frau, die MO70 genannt wurde und sich mit Patchwork-Gewändern bekleidete. MO70 bezieht sich auf aktuelle soziale Fragen, spielt auf Ideologien und Religionen sowie Lebensweisen der Menschen weltweit an.
„Recess — Photosynthese als Quelle der Inspiration“ von Luisa Marie Meissner ist auf dem Platz an der Alten Kirche im Container 9 zu sehen. C3 und C4 Pflanzen stehen für unterschiedliche Arten der Photosynthese. Die C4-Variante ist eine Anpassung an heiße und trockene Regionen. Die Kollektion skizziert den evolutionären Prozess, wie sich aus einer C3-Pflanze eine C4-Pflanze entwickelt. Mais und Roggen sind die Grundlage für die Entwürfe. Die Struktur einiger Stoffe lässt auf die Blattstruktur des Mais schließen, die Raffungen lassen die Roggenpflanze erahnen. Steife Kragen, Röcke und Oberteile sowie geflochtene Maisblätter umhüllen und schlingen die kolbigen Silhouetten.
„Brøk“, eine kommerzielle Kollektion von Madita Fischer, ist im Container 10 auf dem Platz an der Alten Kirche zu finden. Die Kollektion steht für Aufgeschlossenheit, Neugierde und eine individuelle Werteorientierung. Sie polarisiert, indem sie eine aufmerksamkeitsstarke Fixierung auf das Gleichförmig-Glatte thematisiert. Dabei geht die Designerin davon aus, dass der Mensch durch die Digitalisierung in Richtung der perfekten und glatten Oberflächen gesteuert wird. Die Glätte bildet die Ausgangsbasis, sie wird durch möglichst nahtarme Schnitte symbolisiert. Die Kollektion greift das Motiv des Bruchs zusätzlich durch eine besondere Webtechnik auf.
Marlene Engel stellt auf dem Willy-Göldenbachs-Platz im Container 12 „F60.8“ vor. Die Grenzen zwischen Digitalem und Analogem, Künstlichem und Natürlichem verschwimmen. Inspiriert vom „schönen Schein“ medialer Inszenierungen, der Selbstinszenierung in den sozialen Netzwerken und dem Identitätsverlust in der virtuellen Welt entstand die Kollektion „F60.8“. Sie setzt durch Mode ein Statement gegen das glatte, makel- und aussagelose „online-Bild“. Es soll ein Bewusstsein für die reale Welt geschaffen werden.
Ausschnitte eines Lebens: Sogenannte „Influenzer“ inszenieren sich über Fotos, um möglichst gut bewertet zu werden und Likes, Follower und positive Kommentare zu sammeln wodurch sie ihrer Community das Gefühl geben, ein Teil ihres schönen Lebens zu werden. Ganz unbemerkt werden die „Seher“ angeregt, auch ihr Leben auf eine oberflächliche Art schöner zu gestalten. Die Gier nach Likes und Follower führte zum Titel „SHARE — SESSED“ von Nicole Turina (Container 14). An jedem Outfit befinden sich Besonderheiten. Die unsauberen, ausgefransten und ungebügelten Abschlüsse zeigen das eigentlich unperfekte Leben der angeblich perfekten Menschen.
Vom Gemälde zur Kollektion — das hat sich Pauline-Lotta-Langmaack (Container 15) zum Ziel gesetzt. Das Thema der Kollektion „Inside/Insight“, ist in zweifacher Hinsicht inspiriert von einem Bild aus Geta Bratescus Werkreihe „Hypostase der Medea“. Die organischen Linien und Formen in Bratescus Illustrationen werden in der Schnittentwicklung aufgegriffen. In der Kollektion symbolisieren Bänder die charakteristischen Linien, ebenso wird das Farbspektrum in das textile Design integriert. Die Kollektion interpretiert die Werkreihe der Künstlerin über die Figur Medeas und ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Frauen- und Rollenbildern.
Die sanftere Seite des kontemporären Stils zeigt sich in Container 16: Mode macht Träume sichtbar und Philippe Thomas Design bringt die Leidenschaft, die in vielen Träumen steckt, zum Ausdruck. Die Liebe zum Detail, der hohe Anspruch an Qualität und der Traum von zeitloser Schönheit sind die zentralen Motive. Philippe Thomas achtet bei seinen Materialien auf Nachhaltigkeit. Die Verschmelzung von verspielter Softness mit dem kontemporären Stil des Businesslooks prägen diese städtische, hochmoderne aber trotzdem unbeschwerte Kollektion.
Die Kollektion „Digitalnomad“ von Philipp Lichtenfeld befasst sich mit dem globalisierten Menschen, den der Fortschritt zu einem technologischen Nomaden werden lässt, der bewusst das Mobiltelefon mitführt, um immer in Verbindung zu sein. Inspiriert von den Nomaden, die ihre Habseligkeiten stets mit sich führen, dient die Kollektion als „Arbeitskleidung“ und „Schnittstelle“ für die moderne, selbstbewusste Frau. Versteckte Taschen nehmen die Insignien des Fortschritts gerne auf, weiche Materialien wie Wolle verbinden sich mit erdigen Farben zu einer harmonischen Kollektion.
Designerin Trang Ngyuen spielt mit Romantik und Technik. In Container 18 wird der Romantic Cyborg zum Protagonisten der Kreation. Er bildet ein Kontrastprogramm zu den Geschehnissen in der Welt und dem Straßenbild. Sein Aussehen ist ein stiller Protest, es irritiert das Straßenbild, weil die Symbiose aus Romantik und Technologie zeitlich nicht einzuordnen ist. Die glänzenden Materialien, reflektierenden Oberflächen und wattierten Textilien spiegeln das Mischwesen aus lebendigem Organismus und Maschine wider. Es entsteht eine Fragilität, die durch Strass- und Perlendetails und Spielereien mit Wäscheelementen visualisiert wird.