Pro & Contra - Sicherheit vs. Kultur

Dass die Sicherheitsbehörden auf einen zweiten Rettungsweg bestehen, ist geradezu überlebenswichtig. Dies gilt auch für das Haus der Seidenkultur.

Pro: Sicherheit geht vor — auch wenn es weh tut

Wenn die Stadt kontrolliert, ob in einem Gebäude die Brandschutzvorschriften eingehalten werden, dann hat sie in vielen Fragen einen Ermessensspielraum. In einer hat sie keinen: Beim zweiten Rettungsweg.

In Privathäusern sind das meist die Leitern, die die Feuerwehr bei einem Einsatz mitbringt. Es reicht also eine Fensteröffnung, an die sie gestellt werden können. Dort, wo viele Menschen zusammenkommen, geht das nicht. Ist ein Weg durch Rauch oder Feuer versperrt, muss die Masse sofort über einen anderen flüchten können.

Sonst sind viele Menschenleben bedroht. Deshalb ist in solchen Fällen der zweite Rettungsweg als Teil des Gebäudes vorgeschrieben — in Schulen, in Gewerbebetrieben. Und auch in Museen.

Es ist wichtig, dass gerade in dieser Frage klare Regeln herrschen. Spätestens der Düsseldorfer Flughafenbrand hat gezeigt, welche dramatischen Folgen ein fehlender zweiter Rettungsweg haben kann.

Dieses Unglück und auch die Loveparade-Katastrophe dürfen aber kein Freibrief für unverhältnismäßige Forderungen der Behörden sein. So ist bei manchem Sicherheitskonzept, die von Veranstaltern eingefordert werden, mehr Augenmaß gefragt.

Wo Menschen sich versammeln, ist Sicherheit lebenswichtig — das hat nicht erst die Loveparade auf leidvolle Weise gezeigt. Eine Mischung aus Schludrigkeit und politischer Blindheit hat dort zur Katastrophe geführt. Die Reaktion auf den Gau jedoch ist irrational, fast panisch — und leider typisch deutsch.

Statt überlegt aus dem Einzelfall Schlüsse zu ziehen, werden fortan Regeln mit maximaler bürokratischer Korrektheit ausgelegt. Für den einzelnen Beamten steckt dahinter das verständliche Bedürfnis, die eigenen Hände vorsorglich in Unschuld zu waschen. Für das Lebensgefühl einer Stadt jedoch ist die Wirkung verheerend.

Die Führungen im Haus der Seidenkultur oder das Jazzfestival auf Burg Linn sind in keiner Weise mit einer riesigen, miserabel geplanten Technoparty vergleichbar. Dennoch sollen sie ähnlichen Ansprüchen genügen. Das Ergebnis sind im besten Fall immense Kosten. Im schlechtesten Fall ist wieder ein Stück Kultur verschwunden.

Die Frage ist: Wann wird Sicherheit zum Selbstzweck? Der Versuch, das Risiko auf null zu minimieren, ist zum Scheitern verurteilt. Das sinnlose Streben danach richtet im Herzen einer Stadt — wo Menschen sich versammeln — großen Schaden an.