Bockum – Rom im Linienflieger

In den 1930er-Jahren flog die Lufthansa von Krefeld aus. Heute liegt Gartenstadt auf dem Gelände.

Krefeld-Bockum/Gartenstadt. Waren das noch Zeiten: Für 124 Reichsmark kam der Krefelder in den 1930er-Jahren nach Venedig. Rom war ein bisschen teuerer. Auch die Metropolen Paris und London standen auf dem Programm. Die "Luft Hansa" - damals noch in zwei Worten geschrieben - machte es möglich, und dafür musste der betuchte Seidenstädter gar keinen Transfer zum nächsten Flughafen in Kauf nehmen. Von Bockum aus ging es in Propellermaschinen auf die Reise - Zwischenstopp in Köln inklusive.

"Ein Tourismus wie heute gab es damals aber natürlich noch nicht", erklärt Heimatforscher Hans Vogt, der sich intensiv mit der Geschichte des Flugplatzes befasst hat, und zeigt einen alten Prospekt, in dem stolz mit den Passagierzahlen geworben wird: 930 waren es 1933. Ein Airbus 380 kommt heute fast auf die gleiche Zahl - bei einem Flug.

Viel erinnert heute nicht mehr an den Flughafen Bockum. Kein Wunder, schließlich fand das Kapitel des Zivilluftverkehrs bereits 1934 sein Ende. Nach dem Zweiten Weltkrieg war mit dem Fliegen an sich Schluss. "Heute ist noch ein kleineres Stück Mauer an der Emil-Schäfer-Straße erhalten, das war es aber schon fast", sagt Vogt.

Das ehemalige Gelände ist zum Großteil bebaut - ein neuer Stadtteil hat dort seine Heimat gefunden. "Als es um die Namensgebung ging, gab es hunderte Vorschläge. Viele hatten mit der Luftfahrthistorie zu tun. Entschieden hat man sich aber für Gartenstadt." Eine große Rolle habe der Flughafen nie gespielt, räumt Vogt ein - auch wenn Krefeld das gewollt habe. "Es war schon ein Prestigeobjekt."

Anfang des 20. Jahrhunderts waren viele Städte fasziniert von der Fliegerei. 1911 hob auch der erste Pilot in Krefeld erfolgreich ab, damals noch auf der Wiese des Stadtwaldes, "die ja noch mehr einer Baumschule glich", so Vogt. Ein Beigeordneter war beeindruckt und erklärte Krefeld fortan zur "Fliegerstadt", 1917 wurde das Bockumer Gelände dann zum Militärflughafen ausgebaut. Als Krefelds Fliegerheld Emil Schäfer in seiner Heimatstadt beerdigt wurde, landeten auch die berühmten Kampfpiloten Werner Voss und Manfred von Richthofen, "der rote Baron", in Bockum - beide überlebten den Ersten Weltkrieg bekanntlich auch nicht.

"Die Geschichte des Flugplatzes ist dann schnell erzählt. 1918 war sie nämlich erst einmal vorbei", sagt Vogt und schmunzelt. Nach der Kapitulation übernahmen belgische Truppen das Gelände. "Viele Maschinen sind dann aber nicht mehr gelandet. Die Fasane waren die Hauptflieger." Mit der Räumung des Rheinlandes 1926 begann dann die kurze "Hochzeit" des Areals als Zivilflughafen.

Mehr als der Flugbetrieb sorgte allerdings die gescheiterte Ansiedlung von Flugzeugwerken für Schlagzeilen. Die Firma Hüffer produzierte immerhin zwei Flugzeuge in Krefeld - es blieben die einzigen. Hüffer ging 1930 ebenso in Konkurs wie ein Jahr später das Unternehmen Raab-Katzenstein. Mitinhaber Raab wurde sogar wegen Betruges verurteilt. Das Gericht stellte aber fest, dass die Stadt Krefeld ihm die Täuschung auch leicht gemacht habe - so sehr wollte die Verwaltung damals die Ansiedlung.

Nach einigen Jahren zeichnete sich ab, dass sich auch das Fluggeschäft einfach nicht mehr lohnte. Andere Flughäfen zogen mehr. Von 1934 bis 1945 stand in Bockum wieder die militärische Nutzung im Vordergrund. Die Alliierten hatten das Gelände übrigens nie auf dem Kieker. "Zwei, drei Bomben wurden darauf wohl abgeworfen, aber mehr aus Versehen. Dort standen ja keine Maschinen oder so."

Die Idee, den Flugplatz nach dem Krieg wieder aufleben zu lassen, wurde allerdings nie ernsthaft verfolgt. "Die Briten haben das Gelände natürlich auch nicht aus der Hand gegeben", sagt Vogt. Ein grundsätzliches Problem sei aber einfach der Standort gewesen. "Der war von Anfang an ungünstig gewählt. Das war ja fast schon Innenstadt." Angesichts der Wohnungsnot war die Nutzung als Baugelände viel praktischer. 1956 entstand die sogenannte "Flugplatzsiedlung", ein Teil des späteren Gartenstadts.

Das endgültige Ende des Betriebes in Bockum ist aber indirekt auch mit dem Neustart der Fliegerei am Egelsberg verknüpft. Nachdem dort schon Anfang des 20. Jahrhunderts geflogen worden war, wurde am 1. Juni 1969 der neue Flugplatz eröffnet. "Das Gelände dafür haben die britischen Pioniere, die noch in Bockum saßen, eingeebnet." Ein netter Zug, wie sich Vogt erinnert. "Die wollten nur den Sprit bezahlt haben, und ein paar Kisten Bier musste ich ihnen bringen."