Krefeld Textilmuseum lüftet Nazi-Geheimnisse
Im Textilmuseum wird nun erforscht, was in den 40er-Jahren mit der Sammlung eines verarmten Künstlers passiert ist.
Krefeld. „Ans Licht“ heißt es von jetzt an für fünf Jahre im Textilmuseum (DTM): Mit Unterstützung der Sparkassen Kulturstiftung können vier Forschungsvorhaben beginnen und dazu ein Online-Katalog mit Teilen der Sammlung veröffentlicht werden. „Mit der Schwerpunktförderung können wir Untersuchungen vornehmen, die wir uns sonst nicht leisten könnten“, sagte Kulturdezernent Gregor Micus. „Es ist sehr wichtig, die Sammlung zu bearbeiten, denn sie ist unser Schatz“, sagt Museumsleiterin Annette Schieck.
Die Projekte bedeuten eine Aufwertung des Museumsbestands; die Textilien werden gepflegt und sichtbar gemacht. Es wird ein internationaler wissenschaftlicher Diskurs angestoßen und es soll auch ein historisches Bewusstsein für die Sammlung geweckt werden.
Den ersten Schwerpunkt bildet die Sammlung Paul Prött. Projektleiterin Uta-Christiane Bergemann — sie hat vor einigen Jahren am DTM zu historischen Stickereien geforscht und an der erfolgreichen Kinderkleiderausstellung mitgearbeitet — hat sich schon an ihre Aufgabe gemacht. Zu dem Maler Paul Prött hat sie einiges herausgefunden.
Er wurde 1880 in Hagen geboren, studierte in München und lebte ab spätestens 1912 in Köln. Von dort ging er nach Berlin, unternahm viele Reisen. Er verdiente sein Geld als Grafiker: Viele Landschaften stammen von ihm, die gelegentlich heute noch in Auktionskatalogen auftauchen. Allerdings: Seine Einkünfte waren so spärlich, dass ihn seine Stieftochter finanziell unterstützen musste. Und dann tauchte auf einmal eine Sammlung von Textilien in der Krefelder Gewebesammlung auf, die ihm zugeordnet wird.
Aus einem Ordner geht hervor, dass seine Sammlung von Textilien 1943 an die Gewebesammlung ging. Ihr Wert wurde auf 120 000 Reichsmark beziffert. Und damit entstehen Fragen: Woher stammte das Geld? Woher kamen die Textilien? Welche Rolle spielte der damalige Leiter der Gewebeschule Paul Rank? Dieser war 1934 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eingetreten. Mit der Forschung nach der Herkunft wird ein Kapitel vertieft, das auch auf einer Fachtagung im September zum Inhalt wird: „Textile Erwerbungen und Sammlungsstrategien europäischer Museen in der NS-Zeit“ ist das Thema.
Zu den Stücken aus der Sammlung Paul Prött zählen eine Männertracht aus dem Alten Land (südlich der Elbe), mehrere Teile zu Frauentrachten aus Bayern und Franken und auch ein paar einzelne Stücke wie eine imposante Bernsteinkette, die zu einer Bückeburger Tracht gehört.
Zur Sammlung Paul Prött gehören etwa 800 Stücke. Einige wenige sind aus Afrika, dem vorderen Orient oder Ostasien. Das meiste aber sind europäische Trachten und dazu gehöriger Schmuck. „Die Sammlung ist von hoher Wertigkeit, denn sie enthält viele ganze Stücke und wenige Fragmente“, sagt Uta-Christiane Bergemann. Was sie herausfindet über den Menschen Paul Prött und über die Textilien, wird im kommenden Jahr in eine Ausstellung und einen Katalog fließen.