Turbo-Abi: Ganztag durch die Hintertür
Viele könnten mit den acht Schuljahren leben, wenn denn der Ganztag konsequent eingeführt würde.
Krefeld. Ist das Turbo-Abi, also die Verkürzung bis zum Abitur von neun auf acht Schuljahre (G8), die Einführung der Ganztagsschule durch die Hintertür? Viele Pädagogen, aber auch Eltern und Schüler am Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium, wären darüber nicht einmal böse. Sie würden diese Schulform, die in einigen Nachbarländern bereits gang und gäbe ist, sogar begrüßen. Dann könnte der Lehrstoff viel entspannter vermittelt werden. "Das Ganztagsgymnasium kann dann weitergeben, was Schulkultur eigentlich will", so Direktorin Maria Köhler-Degener. "Die ganzheitliche Idee von G8 ist gut, die Umsetzung aber übers Knie gebrochen, weil beispielsweise die Kurrikula nicht abgesteckt wurden", ist die oft geäußerte Meinung. Eckehard Eisenhuth, Vater der Söhne Lukas (13, 6. Klasse) und Johannes (17, 12. Jahrgang) hat den Vergleich: "Meine Söhne sind beide sicherlich gleich intelligent. Der jüngere Sohn hat nachmittags viel weniger Zeit, als früher der Bruder." Besonders die zweite Fremdsprache samt Vokabelpauken, mache den Kindern zu schaffen, denkt der Große. Lukas bestätigt: "Es ist schon ein bisschen viel. Wenn ich nachmittags mit den Hausaufgaben fertig bin, ist es schon dunkel." Für Sport und Musik bleibt da nicht viel Zeit übrig. Die Zeit für die zweite Fremdsprache wird anderen Fächern abgeknapst. Dabei hat diese Schule die vermehrten Schulstunden für die jüngeren Jahrgänge erträglich verteilt. Beispiel: Die sechsten Klassen haben täglich sechs Stunden und nur vierzehntägig nachmittags zwei Stunden Sport. Bei den Jahrgängen fünf bis sieben wurden die Stunden jeweils von 30 Stunden auf 31 erhöht. "Ab Klasse acht und neun geht es dann richtig los", so Köhler-Degner. "Da wird deutlicher, was G8 bedeutet." 32 bis 34 einschließlich Förderstunden statt früher 30 in der achten, und in der Neun 33 bis 35, statt vorher 32 sind dann angesagt. Da hat es derjenige schwer, der individuell gefördert werden will. Und auch bei den anderen ist dann Freizeit-Management gefordert. "Die Problematik liegt weniger in der sachlichen Veränderung, als in der gefühlten", denkt die stellvertretende Schulpflegschaftsvorsitzende Gerlinde Wettingfeld. "Die tägliche Schulzeit hat sich noch nicht verändert. Die AG’s können sie zwar nicht mehr belegen, aber terminlich gibt es bisher nicht mehr zu regeln. Wir als Eltern haben jedoch Angst und geben diese an die Kinder weiter", befürchtet sie. Ihre Tochter Tanja (18, Klasse 12) denkt an den jüngeren Bruder und relativiert: "Die Kinder lernen doch schon in der Grundschule Englisch, fangen nicht bei ,Null’ an. Es ist viel zu tun und fertig", lautet ihre Devise.