VHS-Leiter Rehbein: Der Chef kommt zur Ruhe

14 Jahre lang war Hansgeorg Rehbein Leiter der Volkshochschule. Er hinterlässt ein Vorzeige-Institut — und eine Riesenlücke.

Krefeld. Es gibt eine kleine Anekdote, die viel über Hansgeorg Rehbein erzählt. Ende der Siebziger, als er an die hiesige Volkshochschule kam, fand er sich eines Morgens allein im Büro wieder. Keine Kollegen, nirgends. Kein Bürger in Sicht. Es dauerte eine Weile, bis Rehbein begriff, was los war: „Ich wusste damals nicht, dass an Rosenmontag hier keiner arbeitet.“

Der Mann, der die Volkshochschule nun nach 33 Jahren verlässt und 14 Jahre lang ihr Chef war, stammt aus dem Sauerland, da hat man es nicht so mit Karneval. Doch als Erklärung jener Episode aus seiner Anfangszeit reicht das nicht aus. Rehbein ist es auch sonst schwer gefallen, die Dinge ruhen zu lassen, die Gedanken anzuhalten: „Irgendwie ist ein Teil meines Kopfes immer bei der Arbeit. Ich habe stets einen Block zur Hand, um Ideen aufzuschreiben, die mir begegnen.“

Wenn Rehbein von „Chancen“ und vom „Entwicklungspotenzial“ der VHS redet, klingt er nicht wie ein Beamter, sondern wie der Chef eines mittelständischen Unternehmens, von denen gibt es im Sauerland ja genug. Sein Vater, der zu früh gestorben ist, war Schreiner, ein Handwerk, in dem Schlamperei nicht verziehen wird. Das hat Rehbein geprägt.

Als er Ende der Neunziger die VHS übernahm, war das eigentlich ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Das Land NRW begann, Zuschüsse drastisch zu kürzen, die Stadt musste ohnehin sparen. Binnen zehn Jahren halbierten sich die öffentlichen Gelder.

Doch während anderswo panisch Kurse gestrichen und Stellen gekürzt wurden, kam Rehbein ein simpler Gedanke: Was, wenn ein Kurs kein Kostenfaktor mehr ist, sondern Geld einbringt? Dazu muss das Angebot populär genug und der Preis ausreichend hoch sein. Was nicht bedeutet, dass die VHS ein Institut für Wohlhabende wird: „Man braucht nicht unbedingt niedrige Entgelte, wichtiger sind sinnvolle Ermäßigungen. Oft fallen gerade die Schwachen — Jugendliche, Migranten oder Analphabeten — durch den Rost. Es lag mir immer am Herzen, dass das hier nicht passiert.“

Das Modell funktioniert — auch dank exzessiv eingeworbener Mittel von Bund und EU. Heute sieht das Gemeindeprüfungsamt in der VHS Krefeld ein Vorbild für ganz NRW. „Wenn die finanzielle Basis wegbricht, nutzt das natürlich alles nichts mehr“, sagt Rehbein. „Wird weiter gekürzt, ist das Ende der Fahnenstange bald erreicht.“ Zuletzt war das Angebot mit 1107 Kursen groß wie nie: „Im Jahr 2010 hatte die VHS rund 25 000 Kunden.“

Auch den Begriff Kunden, in der öffentlichen Verwaltung oft ein Fremdwort, benutzt Rehbein ganz selbstverständlich, und das schon seit Jahren. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, die Öffnungszeiten dem Bedürfnis der Bürger anzupassen. Er führte Service-Hotline, Kundenbefragung und Beschwerde-Management ein. Die Widerstände, die es natürlich gab, hat er ausgeräumt, durch Argumente und Überzeugungsarbeit: „Ärgerlich werde ich nur, wenn ich den Satz höre: ,Ich bin nicht zuständig.’“

Dass man sich mit dieser Haltung nicht nur Freunde macht, versteht sich von selbst. Rehbein gilt als glasklarer Pragmatiker, der seine Entscheidungen vom Kopf her fällt, mit Logik und Struktur, wie er es als Naturwissenschaftler gewohnt ist: Er hört zu und wägt ab, doch er weiß auch, dass jede Debatte irgendwann ein Ergebnis braucht: „Ich wollte immer Verantwortung übernehmen“, sagt er. „Und ich bin es gewohnt, Dinge zu Ende zu machen.“

Umso skeptischer schaut er seit Jahren auf das nahende Ende seines Berufslebens. Doch jetzt, wenn es so weit ist, freut er sich. Er will künftig etwas länger schlafen, in Ruhe Zeitung lesen, seine Leidenschaften pflegen: Sport, Heimwerken, Literatur und Musik, die er mehr und mehr für sich entdeckt hat, die seit fünf Jahrzehnten gepflegte Begeisterung für Borussia Dortmund, wo er oft auf der Tribüne sitzt. „Das Gefühl, dass etwas fehlt, kann sicher noch kommen“, sagt Rehbein. „Aber im Moment empfinde ich es als Erleichterung, mal Verantwortung abzugeben — so sehr ich die Volkshochschule liebe.“

Liebe. Das sagt und meint er wirklich, und es klingt nicht rational und pragmatisch, schon gar nicht wie ein Ausflug ins Pathos. Hansgeorg Rehbein sagt es beiläufig, wie eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht, weil es immer die Basis für sein Wirken war.