Vogel des Jahres: Schuppen für den Turmfalken

Viele Nistmöglichkeiten gibt es nicht mehr. Doch am Niederrhein fühlt sich der Falke noch wohl.

Niederrhein. Wer aufmerksam durch die Felder geht, kann ihn jetzt bei uns am Niederrhein beobachten. Der Turmfalke, gerade erst vom Naturschutzbund zum Vogel des Jahres gekürt, ist in unseren Breitengraden heimisch. Abe rimmer häufiger gehen Lebensräume für den kleinen Greifer verloren, werden Nistmöglichkeiten an Häusern versiegelt. Selbst Schuppen und Scheunen auf dem Land werden abgedichtet - für den Naturschutzbund Folge unsinniger Hygienevorschriften.

Dabei ist der Turmfalke einer der besten Helfer der Bauern. Er arbeitet kostenlos und auch ohne Urlaub. Oft schwebt der eifrige Jäger mit vibrierenden Flügeln über einem Punkt des Feldes, beobachtet lange ein Mäuseloch - um dann wie ein Stein zu Boden zu stürzen und Beute zu machen.

In Leuth freut sich Christian Litjens darüber, dass der Turmfalke im alten Kirchturm heimisch geworden ist. Er beobachtet seit Jahren den Kampf um die besten Brutmöglichkeiten. Krähen und Raben vertreibt der Turmfalke, gegen die stets im Rudel auftretenden Dohlen hat er keine Chance. Eigene Nester baut der Turmfalke nicht; er übernimmt "gebrauchte" Krähen- und Elsternnester, aber auch Zweithorste von Bussarden und anderen großen Greifern. Und manchmal verträgt er sich auch mit der Schleiereule: "Im vergangenen Jahr brütete der Turmfalke oben in unserem Kirchturm, und eine Etage tiefer eine Schleiereule", so der Leuther Litjens.

Auf dem Gelände des Naturschutzhofes Sassenfeld nahe den Krickenbecker Seen nistet seit Jahren ein Turmfalken-Paar in einem Schleiereulen-Kasten, berichtet Heinz Tüffers vom Naturschutzbund. Im vergangenen Jahr zog er dort fünf Junge auf Die sind inzwischen abgewandert - Turmfalken brauchen große Reviere. Zwei bis drei Quadratkilometer müssen es pro Paar schon sein. "Rivalen werden keine geduldet", so Tüffers.

Schon früh im Jahr sind die "titititi"-Rufreihen des Falkenpaares über dem Brutrevier zu hören. Im April erbrütet das Weibchen dann die fünf bis sechs kleinen, rahmgelb getupften Eier. Das Männchen muss nun unablässig seine Familie mit Nahrung versorgen. Wenn schließlich Ende Juni die Jungen ausfliegen, herrscht im Falkenrevier reges Treiben.

Erfreulicherweise ist der Bestand an Turmfalken am Niederrhein in den vergangenen Jahren nicht zurückgegangen. Seine enge Bindung an den Menschen hat für ihn viele Vorteile, doch die industrielle Landwirtschaft und die Pflanzenschutzmittel setzen dem Turmfalken zu. Als Endverbraucher der Nahrungskette nimmt er die im Körper seiner Beutetiere abgelagerten Gifte auf und stirbt oft qualvoll an den Folgen.

Aber immerhin findet der Turmfalke im Raum Schwalm-Nette noch viele alte Gemäuer, die er zur Eiablage und zum Brüten nutzen kann. So werden die Burg Bocholt, aber auch die Kirchen in Lobberich von den Falken genutzt.