Von Russland nach Krefeld: Krankentransport mit Hindernissen

Rentner Ulrich Ruske musste im Ausland behandelt werden. Seine Tochter holte ihn über Umwege nach Krefeld.

Krefeld. In einer wahren Odyssee ist am vergangenen Wochenende der Rentner Ulrich Ruske von seiner alten Heimat Ostpreußen — heute Russland — nach Krefeld gebracht worden. Der 85-Jährige erlitt in Polessk, eine Autostunde von Kaliningrad, erst einen Herzinfarkt, dann einen Schlaganfall.

Dort lebte Witwer Ruske mit Hund und Katze in einem eigenen Häuschen und kümmerte sich um das von ihm aufgebaute „Kinderhilfswerk Nordostpreußen“. Sein Lebenswerk in einer Heimat, die er mit 17 Jahren verlassen musste.

Ende Februar teilte er seiner Tochter Angelika Bohlmann telefonisch im rund 1500 Kilometer entfernten Krefeld mit, dass es ihm nicht gut gehe: „Das Herz“. Am 2. Februar flogen Tochter und Enkelin Nina über Berlin nach Kaliningrad (früher Königsberg). Eine Mitarbeiterin des Hilfswerkes holte beide vom Flughafen ab und brachte sie nach Polessk. Noch in derselben Nacht wurde der Patient vom dortigen Dorfkrankenhaus in eine Klinik nach Kaliningrad gebracht. „Ich durfte erst nicht in die Intensivstation“, klagt Angelika Bohlmann, die auf die Dolmetscher-Dienste der Mitarbeiterin angewiesen war.

Am nächsten Tag fand sie ihren Vater in einem Sechs-Bett-Zimmer mit blauen Flecken an Hand- und Fußgelenken. Die sollen bei der Fixierung des in Russland und in Deutschland versicherten Patienten entstanden sein. Die Nacht hatte er in einem Keller verbringen müssen. Bald war klar: Der Vater muss zur weiteren Behandlung ins Krefelder Klinikum gebracht werden. Er ist auch in Krefeld gemeldet und hat zwei Pässe: einen russischen und einen deutschen.

Seine deutsche Krankenkasse hat nach Aussage der Tochter den etwa 14 000 Euro teuren Lufttransport des Patienten abgelehnt. Schließlich landeten die Tochter und ihr Mann bei Sibu-Mobil in St. Tönis. Das Krankentransportunternehmen verlangte ein Drittel von dem, was die Patientenverlegung per Flugzeug gekostet hätte — ebenfalls ohne Kassenbeteiligung.

Vergangenen Donnerstag war der Vertrag perfekt, aber im russischen Generalkonsulat in Bonn-Bad Godesberg niemand erreichbar. Auch am Freitag nahm keiner den Hörer ab.

Über die Deutsche Botschaft in Moskau und das Generalkonsulat in Kaliningrad erreichte Sibi-Mobil eine Lösung ohne Visum. Ein russischer Krankenwagen brachte Ulrich Ruske zur russisch-polnischen Grenze. Im Niemandsland zwischen den Ländern wurde er von einer Trage auf die andere geladen — bei sechs Grad minus.

„So was habe ich noch nie erlebt“, sagt Sibu-Mobil-Mitarbeiter Meikel Muschalik. Dass die Patienten-Übergabe exakt 1227 Kilometer vom Firmensitz entfernt nach nur einer Stunde Wartezeit reibungslos klappt, führt Muschalik auf eine Mitarbeiterin des Deutschen Konsulats in Kaliningrad zurück. „Sie hat mit dem Diplomaten-Fahrzeug den Transport auf russischem Gebiet begleitet, anderthalb Stunden pro Strecke.“ Ulrich Ruske hätte bei der Übergabe einen stabilen Eindruck gemacht. Meikel Muschalik: „Er war heilfroh, aus Russland heraus zu sein.“

Tochter Angelika ist glücklich, dass es dem Vater besser geht. „Er wird im Helios-Klinikum super betreut.“ Dass er wieder sprechen kann und dass die Lähmungserscheinungen im Arm nachgelassen haben, dürfte aber auch an der Behandlung in Russland liegen. Für Tochter und Schwiegersohn allerdings ist klar: „Vater kann nicht mehr allein zurück.“ Das Häuschen in Polessk wird derzeit noch von ihrem Bruder bewacht — es wird wohl verkauft werden müssen.