Wenn Kinder den Alltag der Familie stemmen müssen

Der Nachwuchs von psychisch Kranken ist oft überfordert und braucht Hilfe. Bisher scheitert das an der Finanzierung.

Krefeld. Sie leiden im Stillen, verzweifeln, sind überfordert, wenn die Mutter wieder mal am hellichten Tag die ganze Wohnung verdunkelt und sich um nichts und niemanden kümmert. Warum sie das tut, wissen sie nicht. Oftmals schämen sie sich, dass Mama manchmal so seltsam ist. Die Rede ist von Kindern psychisch kranker Eltern.

Rund 600 bis 1000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wachsen in Krefeld mit einem psychisch kranken Elternteil auf. Deutschlandweit sind es zwischen einer halben und einer Million Kinder, deren Vater oder Mutter wegen Schizophrenie, Borderline-Syndrom oder schweren Depressionen psychiatrisch behandelt werden muss. "Und die Zahl der Erwachsenen nimmt zu, die in Zeiten von unsicheren Arbeitsplätzen und wachsendem Druck immer größer werdende psychische Auffälligkeiten zeigen", sagt Dietmar Siegert vom Kinderschutzbund Krefeld.

Diese Krankheiten sind zwar nicht vererbbar, aber sie prägen das Verhalten der Kinder entscheidend. Studien zeigen, dass diese Jungen und Mädchen zwei bis dreimal häufiger psychische Störungen als Kinder gesunder Eltern entwickeln.

"Sie müssen oft aus der Not heraus über längere Zeit die Verantwortung für die Eltern übernehmen, den Haushalt selbst organisieren und gegebenenfalls Geschwister versorgen", sagt Siegert. Im schlimmsten Falle haben sie Angst, zur Schule zu gehen, weil sich in dieser Zeit ein Elternteil umbringen könnte.

"Was ihnen fehlt, ist ein gesunder Erwachsener, der das Kind in solch einer Krisenphase unterstützt und entlastet", sagt Dietmar Siegert. Der Kinderschutzbund hat gemeinsam mit dem Alexianer Krankenhaus und dem Jugendamt bereits vor drei Jahren ein entsprechendes Konzept entwickelt. Die Finanzierung scheiterte damals an der Absage der Krankenkassen.

In der jetzt im Jugendhilfeausschuss vorgelegten Zusammenfassung des 13. Kinder- und Jugendberichts zum gesunden Aufwachsen von Kindern (die WZ berichtete) schlägt das Jugendamt den Ausbau des Netzwerks für Kinder psychisch kranker Eltern vor. Einen Vorschlag, den das Alexianer Krankenhaus ebenso begrüßt wie der Kinderschutzbund.

"Es gibt von den Familien, die wir unterstützen, bald keine mehr, in der kein Elternteil zeitweilig psychisch erkrankt ist", berichtet Dietmar Siegert. Deshalb überlegt der Kinderschutzbund, im nächsten Jahr für die betroffenen Kinder zunächst ein kunstpädagogisches Projekt anzubieten. "Die wollen oftmals nicht reden, können aber über die Kunst ihre ambivalenten Gefühle ausdrücken."

Vorbild ist der Haaner Verein Kipkel. Der arbeitet seit elf Jahren mit dieser Zielgruppe und hat in dieser Zeit mehr als 600 Kindern "den Rücken gestärkt".

Im zweiten Schritt möchte Siegert in Form von ehrenamtlichen Paten Kindern - aber auch den betroffenen Eltern - eine belastbare Ansprechperson anbieten. Eine Person, die den Kontakt hält - in den gesunden Phasen ebenso wie bei Krankheitsschüben und die Kinder gezielt entlastet. Und die auch der Mutter oder dem Vater Mut macht, sich zur Entlastung aller einer psychiatrischen Behandlung zu unterziehen.