Agentur für Arbeit mit neuem Leiter: Dienstleister statt Verwalter

Krefeld/Kreis Viersen. Ingo Zielonkowsky heißt der neue Leiter der Agentur für Arbeit. Insgesamt ist er Chef von rund 600 Mitarbeitern in Krefeld und im Kreis Viersen. Der Niederrhein ist ihm vertraut, denn er wohnt seit rund 20 Jahren in Kleinenbroich.

Dieser lokale Bezug ist ihm wichtig. Genau wie die enge Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

Gleichzeitig möchte er erreichen, dass seine Behörde — gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels — von mehr Arbeitgebern als Dienstleister wahrgenommen wird. Die WZ sprach mit dem neuen Mann an der Spitze.

Herr Zielonkowsky, was macht eigentlich den Unterschied zwischen Arbeitsamt und -agentur aus?

Ingo Zielonkowsky: Es gibt mittlerweile ein ausgefeiltes Controlling mit Zielvereinbarungen. Dazu zählt neben dem Hauptziel, Arbeitslosigkeit zu verhindern oder zumindest zu verringern, unter anderem auch die Kundenzufriedenheit.

Und die wird quartalsweise von einem externen Unternehmen erfragt bei jeweils 100 Kunden. Derzeit liegen wir bei der Schulnote 2,2. Gemessen werden auch die Wartezeiten — derzeit sieben Minuten. Und wir vergleichen uns mit anderen Agenturen.

Was für eine Idee steckt dahinter?

Zielonkowsky: Wir sind wie eine Versicherung und wir müssen alles daran setzen, dass unsere Leistungsempfänger wieder zu Beitragszahlern werden. Dabei sind wir noch nicht am Ziel. Vor allem in Krefeld ist die Zahl der Arbeitslosen noch zu hoch.

Woran liegt das?

Zielonkowsky: Das hängt mit der Branchenstruktur zusammen, aber auch mit dem überall sichtbaren Stadt-Land-Gefälle.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Jobcentern aus nach dem langen organisatorischen Gerangel?

Zielonkowsky: Im Moment haben wir eine stabile Situation. Ich bin froh, dass es hier keine Begehrlichkeiten gab, Optionskommune zu werden. Die Zusammenarbeit mit dem kommunalen Partner läuft hier sehr konstruktiv.

Das kann man beispielsweise an der gerade getroffenen Vereinbarung zum Bildungspaket mit der Stadt Krefeld sehen. Wir müssen voneinander lernen und versuchen, von den jeweiligen Stärken zu profitieren. Die Agentur hat die größere wirtschaftliche Nähe, die Kommune ist näher an der sozialen Wirklichkeit dran.

Gibt es auch dort Kontrollinstrumente?

Zielonkowsky: Ja, die Kontrollen sind genauso streng wie bei der Agentur, die Zahlen werden im Netz veröffentlicht. In der Kundenzufriedenheit schneiden die Jobcenter allerdings etwas schlechter ab als die Agentur.

Wie gehen Sie mit den Einschnitten bei der Förderung Langzeitarbeitsloser um?

Zielonkowsky: In Zeiten knapper Kassen muss man genau überlegen, welche Instrumente in den ersten Arbeitsmarkt führen, was erfolgreich ist. Bei 23 000 Arbeitslosen gibt es keine Strategie, die auf alle passt.

Deshalb wollen wir nicht radikal bei einem einzelnen Hilfs-Instrument kürzen. Zudem hoffen wir auf eine Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung. Viele Firmen stellen jetzt auch Kunden ein, ohne einen finanziellen Zuschuss zu erhalten.

Das heißt, der Aufschwung ist auf dem Arbeitsmarkt angekommen?

Zielonkowsky: Bei den Vermittlungszahlen haben wir uns leicht verbessert, denn die Nachfrage nach Arbeitskräften wird größer. Natürlich sind vor allem qualifizierte Kräfte gefragt. Wir haben so viele offenen Stellen wie seit 2002 nicht mehr.

Letztlich sind wir dann mit einem Fundus an Arbeitssuchenden als Region sogar für ansiedlungswillige Unternehmen interessanter als mancher Landstrich in Süddeutschland, wo es quasi keine Arbeitslosigkeit gibt.

Unser Problem ist, dass uns noch nicht genügend Arbeitgeber einschalten. Wir möchten auch von dieser Gruppe als Dienstleister wahrgenommen und genutzt werden, da steckt ein enormes Potenzial hinter.

Wie wollen Sie dieses Potenzial aktivieren?

Zielonkowskly: Wir müssen an die regionale Verantwortung der Arbeitgeber appellieren. Wir haben über 30 Mitarbeiter, die sich nur um diese Gruppe kümmern und ihnen eine realistische Einschätzung der Chancen, Arbeitskräfte zu finden, vermitteln. Zudem wollen wir noch enger mit Einrichtungen wie der Wirtschaftsförderung zusammenarbeiten.

Wie kann das aussehen?

Zielonkowsky: Ein gutes Beispiel ist die Ansiedlung von Amazon in Rheinberg, da profitieren alle Seiten von einem engen Austausch. Wir möchten vor Ort noch enger mit der WFG zusammenarbeiten, so dass man bei Ansiedlungsgesprächen den Aspekt Personal gleich einbeziehen kann. Das gilt übrigens auch bei der Frage der Ausbildung.

Inwiefern?

Zielonkowsky: Die Schüler müssen sich rechtzeitig und umfassend informieren über Berufsbilder, Voraussetzungen usw.

Dafür müssen die Firmen vermehrt in Schulen gehen, um Ideen von den Berufen zu vermitteln, die bei den Schülern nicht so bekannt oder beliebt sind. Dazu muss man auch die Eltern mit ins Boot holen. Das ist schon mit Blick auf die demographische Entwicklung wichtig.

Spüren Sie denn schon Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt?

Zielonkowsky: Bei den Lehrstellen bewegen wir uns noch auf dem gleichen Niveau, merken noch nichts vom Aufschwung. Der demographische Faktor aber ist eine wesentliche Herausforderung auch für den Arbeitsmarkt. Das nehmen viele aber noch nicht so wahr. Durch die Krise haben wir beim Gegensteuern zwei Jahre verloren.

Wie kann man gegensteuern?

Zielonkowsky: Indem man auch Jugendlichen eine Chance gibt, deren Zeugnis nicht so toll ist, die aber eine totale Neigung zum angestrebten Job haben und menschlich mit ganzem Herzen bei der Sache sind. 30 Mitarbeiter von uns kümmern sich nur um Schulen, helfen ein Jahr vor der Schulentlassung bei der Berufsorientierung.

Das muss aber auch von der Schule entsprechend vorbereitet werden. Uns darf kein Jugendlicher verloren gehen, derzeit kommen die Problemfälle oft zu spät zu uns zurück. Das ist ein bildungs- aber auch ein gesellschaftliches Problem.

Haben junge Leute mit Migrationshintergrund größere Probleme?

Zielonkowsky: Das ist kein Problem, sondern eine Chance. Schau’n Sie sich die Pflegeberufe an. Da ist der Bedarf enorm und da kommt es auf andere Dinge an, als perfekt in Deutsch oder Mathe zu sein.

Inwieweit können ältere Mitarbeiter dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu lindern.

Zielonkowsky: Das Thema Weiterbildung ist da sehr wichtig, wir beteiligen uns ja in vielen Fällen auch an der Finanzierung. Aber das ist nicht der Renner. Einen größeren Hebel sehe ich bei den Frauen, das ist ein großes Potenzial. Dafür mus aber mehr passieren in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und bei flexiblen Teilzeitmodellen.

Wie sind Ihre Prognosen für die Entwicklung des Arbeitsmarktes?

Zielonkowsky: Das ist schwer vorauszusagen. Aner die Indizien sind derzeit positiv.