Krefelds letzter großer Seidenweber

Seit über 90 Jahren ist die Seidenweberei Güsken Inbegriff Krefelder Textilkultur. Dank neuer Produkt- und Vertriebsstrukturen ist das Firmenschiff jetzt wieder flott.

Krefeld. Dass überhaupt noch 65 Mitarbeiter in der letzten großen Seidenweberei Krefelds die Tradition hochhalten und "jacquard gewebte" Krawatten- und Westenstoffe produzieren, verdanken sie dem Mut und Ideenreichtum ihres Firmenchefs.

"Vor sechs Jahren hatten wir noch 160 Mitarbeiter und standen wie so viele Wettbewerber vor der Alternative Geschäftsaufgabe oder radikale Umstrukturierung", gesteht Mehrheitsgesellschafter Cornel Güsken.

Der Grund aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten steht vor ihm auf dem Tisch - ein Päckchen mit einer Seidenkrawatte inklusive Manschettenknöpfe. "Gibt es für zwei Euro von einem chinesischen Hersteller", macht der Geschäftsmann den ruinösen Wettbewerb mit Dumpingpreisen deutlich, der die heimische Textilindustrie fast komplett vom Markt gefegt hat.

"Aufgeben wollte ich aber nicht, allein schon wegen unserer langjährigen und hochqualifizierten Mitarbeiter", berichtet Güsken. Schließlich steht er dem Familienbetrieb in der dritten Generation vor. Dazu musste sich das Unternehmen der Realität stellen.

"Gegen die asiatischen Dumpingpreise kommen wir aufgrund staatlicher Subventionen nicht an, nicht einmal mit unserer eigenen Tochtergesellschaft in China, aber mit unseren neuen Produkten sind wir schneller und günstiger am heimischen Markt", freut er sich. Dazu wurde das Produktprogramm überarbeitet und ergänzt.

Von den 100 Prozent Krawattenstoffen vor sechs Jahren sind heute gerade noch 20 Prozent am Jahresumsatz von 10 Millionen Euro beteiligt. Der Kernbereich besteht zwar noch aus "jacquard gewebten" Westen- und Futterstoffen. Einen Aufschwung verzeichnen jedoch die neuen Produkte, die alle per Online-Vertrieb verkauft werden.

Spitzenreiter sind in Digitaldrucktechnik auf Leinwandgewebe gedruckte Fotos vor bedruckten Fahnen, Bannern und Krawatten sowie hochwertigen Seidenkrawatten und Damentüchern. Von den fertig gerahmten Fotos auf Leinwand habe man in den ersten zwei Monaten schon 150000 Stück verkauft.

"Mit diesen Produkten richten wir uns online direkt an den Endverbraucher", beschreibt Güsken den radikalen Kurswechsel in der Vertriebsform. "Den Mut dazu musste ich erst einmal aufbringen, aber er war überlebenswichtig", gesteht er. Auf diese Weise könne er dem Endverbraucher europaweit eine in Krefeld gewebte und konfektionierte Seidenkrawatte anbieten.

Der neueste Hit für Sportvereine seien individuell bedruckte Trikots. Weitere Produkte habe er schon geplant, womit er den Billiglohnländern ein weiteres Schnippchen schlagen will.