WZ-Bus: 150 Kleingärtner machen ihrem Ärger Luft
Solch eine emotionale Diskussion am WZ-Bus gab es noch nie: Mehr als 150 Kleingärtner machten gestern ihrem Ärger Luft über die Kündigung ihrer Parzellen, auf denen sich die Hochschule erweitern will.
Viele davon gaben mit Tränen in den Augen und mit zittriger Stimme ihre Stellungnahme ab.
Erst im vergangenen Jahr haben Margarete Hasner und Cornelia-Anna Skotarek auf zwei gegenüberliegenden Parzellen neue Gartenhäuschen gebaut. Rund 15000 Euro haben sie dafür jeweils investiert. "Wieso gibt uns die Stadt eine Genehmigung dafür, wenn absehbar war, dass dort Hochschulgebäude entstehen werden", fragt sich Skotarek.
Der fünfjährige Joel kam mit einem selbst bedruckten T-Shirt zum WZ-Bus. Die Aufschrift: "Warum muss ich für andere Kinder Platz machen? Warum muss ich das Opfer sein?"
Vereinsvorsitzender Herbert Stocks und seine Frau Helga wollen erfahren haben, dass die Kündigung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW bereits am 30. November bei der Stadt Krefeld eingetroffen ist, aber nicht weitergegeben wurde. Bis gestern Abend konnte die Verwaltung eine WZ-Anfrage, die bereits am Freitag gestellt worden war, nicht beantworten. "Sollte der Verein 38 Pächter verlieren und die Kantine schließen müssen, wäre er am Ende. Wir finanzieren einen großen Teil der gemeinsamen Aktionen wie Ausflüge, Weihnachts-, Sommer und Kinderfeste von den Einnahmen."
"Wir werden dem Land nicht nur Steinchen in den Weg legen, sondern Felsbrocken. Wir werden versuchen, sämtliche der 4800 Kleingärtner in Krefeld zu mobilisieren", kündigt Armin Giebels an. Am WZ-Bus gestern waren bereits Vertreter von fünf anderen Anlagen.
Erst kürzlich hat Jochen Heringhaus eine neue Wohnung in der Nähe seines Kleingartens gekauft. Derzeit renoviert er sie aufwändig. "Ich habe sie bewusst ausgesucht, weil sie nur 500 Meter entfernt liegt. Sollte ich meinen Garten hier aufgeben müssen, wäre alles für die Katz’", sagt er. In seinem Garten hat er zuletzt in Terrasse, Pergula und neue Stromleitungen investiert. "Der Wert unserer Wohnungen im Südbezirk wird sinken, wenn das Gelände hier wegfällt", ergänzt Ilona Clemens.
An die hohe Quote der Migranten im Verein erinnern mehrere Pächter. Acht Prozent der Pächter haben ausländische Wurzeln. "Das Land gibt Millionen für Integration aus. Hier gibt es sie zum Nulltarif. Die Integration hier ist auf Dauer und nichts kurzfristiges", sagt Franz Wennig. Er erinnert auch daran, dass die Anlage der grüne (Luft-)Puffer für den Südbezirk und das Helios-Klinikum sei.
Seit 24 Jahren kommt Anna Föhles fast täglich um 7 in ihren Garten. "Es ist wie Urlaub, hier zu frühstücken, das Mittagessen zuzubereiten und das Abendbrot einzunehmen", sagt sie. Alle sieben ihrer Enkelkinder seien hier groß geworden. "Wo sollen die denn hin?"
Horst Sparla berichtet, dass es im Umkreis von 500 Meter sechs Kindertagesstätten gebe, die alle Gruppen schließen müssen, weil es zu wenig Kinder gibt. "Man muss nur mit den Kitas sprechen. Und den Studenten sind fünf Schritte mehr zuzumuten", sagt Sparla.
"Hier leben nicht die finanzkräftigsten Menschen. Wenn für sie das Geld und die Arbeit, die sie in den Garten gesteckt haben, verloren gehen, leiden ganze Existenzen darunter und es entstehen soziale Härtefälle", meint Katarina Kirsch-Bösel.
Dass mittelfristig auch die Gärten an der Seifartstraße ("Süd IV") betroffen sein könnten, meint Franz Scharges. "Die Pläne, dass sich dort Helios breit macht, sind fertig", weiß der Kleingärtner, der dort seit mehr als 50 Jahren seine Parzelle bewirtschaftet.
MargretDimmers, Pächterin der Kantine, sagt: "Wir haben einen Vertrag für die Kantine bis 2013. Müssten wir im nächsten Jahr hier raus, hätten wir kein Einkommen mehr. Ich wünsche mir mehr Zeit, um mich umzuorientieren."
Liselotte Verlinden und Ursula Pisters sagen: "Es stimmt, dass das Land das Recht hat, uns die Gärten abzunehmen. Aber warum müssen wir aus der WZ erfahren, dass es so kommen wird? Man hätte doch an uns herantreten können", sagt Pisters. Die viele Energie und Arbeit, die sie in ihren Garten gesteckt hat, lässt bei Liselotte Verlinden die Emotionen hochkommen. "Man müsste uns vier oder fünf Jahre Zeit geben."
Während die Einen das Land NRW zwar im Recht sehen und sich mehr über die Art und Weise des Vorgehens ärgern, haben einige nicht im entferntesten damit gerechnet ihren Garten abgeben zu müssen. "Das ist eine Sauerei", findet Karl-Heinz Mars. Sein Stiefsohn Frank Dohren fügt hinzu: "Als wir vor einigen Jahren das 100-jährige Bestehen des Vereins gefeiert haben, hat man uns noch fest zugesagt, man würde in den nächsten 25 Jahren nichts unternehmen."
Neben Mitgliedern der Bezirksvertretung war gestern auch Brigitte Reich vom Bürgerverein Süd anwesend. "Ich kann das nicht verstehen. An der Reinarzstraße hat man einen Kindergarten geschlossen. Schon damals haben wir gesagt, dass der ideal für die Fachhochschule wäre. Aber keiner hat etwas gemacht, und jetzt will man einen neuen bauen."
Darüber ärgert sich auch Daniela Lemke. Sie musste bereit einmal in einen neuen Garten umziehen, weil der andere an die Fachhochschule gegangen ist. "Die Grundschule an der Feldstraße leer, die die Hochschule nutzen könnte. Dort gäbe es sogar einen Spielplatz. Das wäre ein idealer Standort für den Kindergarten." Als Urlaubsersatz für sich und ihre Kinder sieht Lemke den Garten, Kinder und Eltern haben enge Freundschaften geschlossen. "Das ist total doof. Wir treffen uns hier immer mit allen Kinder zum Spielen. Wir sind alle Freunde", sind sich Max Lemke (10) und Jan Stocks (14) einig.
Nur zwei Studenten haben gestern den Weg zu den Kleingärten gefunden. Die Absolventin Silvia Roth und der Student Jan Tesche haben auch erst gestern von den Planungen erfahren. "Wir haben in der angrenzenden alten Fabrik ein Atelier gemietet. Ich kann nicht verstehen, warum für die neuen Gebäude nicht die Freiflächen genutzt werden. Das Gebiet ist ja über viele Jahre gewachsen. Die Gärten sind für uns eine tolle Umgebung", sagt Tesche. Beide möchten gar nicht daran denken, dass ihre Studiengebühren dazu genutzt werden, den Gärtner ihre Parzellen abzunehmen.
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