Mehr als 2500 Teilnehmer Haaner gehen für ihr Krankenhaus auf die Straße

Update | Haan · Mit Nachdruck und ex­trem kreativ hat die Haaner Bevölkerung am Samstag ein Zeichen für den Erhalt „ihres“ Krankenhauses gesetzt. Weit mehr als 2500 Teilnehmer machten mit – darunter auch viele Klinik-Mitarbeiter.

Mit Grabkreuzen machten einzelne Demo-Teilnehmer auf die dramatischen Auswirkungen der Krankenhausschließung aufmerksam.

Foto: Köhlen

Gisela Riebeling hatte sich nicht nur eine Papptafel mit dem Slogan „Rettet unser Krankenhaus“ umgehängt, sie verkündete ihren Gesprächspartnern auch stolz, was sie in den vergangenen Tagen getan hat: „Ich arbeite an der Tankstelle – und dort habe ich mehr als 850 Unterschriften für unser Krankenhaus gesammelt“, berichtete die Haanerin. Jetzt wolle sie ein weiteres Zeichen setzen.

Das taten auch mehr als 2500 weitere Teilnehmer der Demonstration für den Erhalt des Krankenhauses St. Josef, dessen Schließung die Kplus-Betreibergruppe bereits vor Wochen angekündigt hatte. Pünktlich um 12.30 Uhr setzte sich der Zug, flankiert von Traktoren, vom Krankenhaus-Vorplatz aus in Richtung Innenstadt in Bewegung.

Auf dem Weg zum Neuen Markt schwoll der Strom der Demonstranten immer weiter an.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Ein emotionaler Moment für viele – auch für Sandra Engels: „Ich bin jetzt seit mehr als 30 Jahren hier beschäftigt“, berichtete die Krankenschwester. Die familiäre Atmosphäre, die guten Arbeitsbedingungen, die hohe Qualität in den Abteilungen – dieses Zusammenspiel gebe es woanders kaum: „So etwas wie in Haan finde ich nirgendwo mehr.“

Traktoren rollten bei der Demonstration vom Krankenhaus an der Robert-Koch-Straße in Haan zum Neuen Markt.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Nicht nur Pflegepersonal, Verwaltungskräfte und ehemalige Patienten machten sich mit auf den Weg in die Innenstadt: Auch die Ärzteschaft des Hauses wollte ein Zeichen setzen. So wie Oberarzt Wolfgang Habel beispielsweise: Der Leiter der Endoprothetik hat ebenfalls mehr als 20 Jahre Erfahrung am Haaner Krankenhaus. „Wir haben hier immer rentabel gearbeitet, solange bis Corona gekommen ist und alle Krankenhäuser schwer getroffen hat“, berichtete der Mediziner. Haan könne im übrigen auch durch seine moderne Ausstattung und ausgezeichnete Abteilungen punkten. „Aber was jetzt mit uns gemacht wird, ist ein ganz übles politisches Ränkespiel“, betonte Habel, der sich auch grundsätzlich fragt, warum gerade bei den Krankenhäusern immer wieder politischer Druck ausgeübt werde, schwarze Zahlen zu schreiben: „Bei der Feuerwehr und der Polizei käme schließlich auch niemand auf die Idee, sie müssten Gewinne abwerfen.“

Gegen 13.30 Uhr gelangte der Zug, in dem auch mit Grabkreuzen und sogar Leichenwagen auf die dramatischen Folgen von Krankenhausschließungen insbesondere für Notfallpatienten aufmerksam gemacht wurde, auf dem Neuen Markt an, wo weitere hunderte Demonstranten warteten.

NRW-Gesundheitsminister Laumann nicht bei Kundgebung

Bei der anschließenden Kundgebung sprach auch Haans stellvertretender Feuerwehrchef Mirko Braunheim. Er machte unmissverständlich deutlich, was die Krankenhausschließung für den Rettungsdienst in der Stadt und der Umgebung bedeuten würde. „Wir haben momentan zwei Rettungswagen und einen Krankenwagen auf der Wache an der Nordstraße stationiert“, berichtete Braunheim. Die müssten künftig vermutlich deutlich längere Fahrten machen, um Notfallpatienten in Krankenhäusern unterzubringen: „Es gibt schon jetzt teils deutliche Wartezeiten in den Notfallambulanzen.“ Krankenhaus-Schließungen würden diese Situation deutlich verschärfen und die Einsatzfahrzeuge viel länger binden – wertvolle Zeit für andere Notfalleinsätze drohe verloren zu gehen. Eigentlich, betonte Braunheim, bräuchte es mehr Fahrzeuge und Personal. Doch erstere hätten lange Lieferzeiten – und letzteres sei schlicht zu wenig vorhanden.

Viele Redner kamen auf dem Neuen Markt zu Wort. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr aber einer, der gar nicht erschienen war: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte die Einladung des parteiübergreifenden Haaner Bündnisses zur Kundgebung unter dem Motto „Rettet unsere Krankenhäuser“ ausgeschlagen – und diese Entscheidung damit begründet, eine Demonstration sei nicht der geeignete Ort, um eine solch komplexe Sachlage wie die im Hinblick auf das von der Schließung bedrohte St. Josef Krankenhaus zu erklären. So blieb Bürgermeisterin Bettina Warnecke die eher undankbare Aufgabe vorbehalten, teils unter lauten Buhrufen aus dem Publikum ein schriftliches Grußwort des Ministers zu verlesen, dessen Botschaft eindeutig war: Nicht das Land trägt Schuld an den geplanten Krankenhausschließungen, sondern die Kplus-Betreibergruppe.

Scharfe Kritik an Kplus übten auch Vertreter der Haaner Ratsfraktionen – von Bernd Stracke (SPD) über Jens Lemke (CDU) und Andreas Rehm (GAL) bis zu Meike Lukat (WLH). Kritisch mit dem Gesundheitsminister ging wiederum der stellvertretende Landrat Michael Ruppert (FDP) ins Gericht: Er sei enttäuscht über die Absage Laumanns: „Er hätte sich die Sorgen der Menschen wenigstens anhören können.“ Zudem habe der Minister zwar dem St. Josefs-Krankenhaus in Hilden eine Chance auf Weiterbestehen in neuer Trägerschaft eingeräumt, dem Haaner Standort aber „eigentlich nicht.“ Der Kreistag, betonte Ruppert, fordere, die Notfallversorgung im Südkreis sicherzustellen. „Dazu gehört der Fortbestand der Krankenhäuser in Hilden und Haan.“ Zudem müsse der Kreis umfassend an der Bedarfsplanung beteiligt werden. „Das“, beklagte Ruppert, „ist nicht hinreichend erfolgt.“

Josef Neumann (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag, prangerte einmal mehr den „erbarmungslosen Wettbewerb“ zwischen den Krankenhäusern und die „massive Unterfinanzierung des Gesundheitssektors“ an. Bund und Land müssten ihrer Verpflichtung nachkommen, die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen.

Hoher Standard im
Krankenhaus wird betont

Mit frenetischem Applaus begrüßten die Besucher Leyla Solmaz. Die Pflegerin ist Mitglied im Gläubigerausschuss und kam stellvertretend für die Belegschaft auf die Bühne. „Als hätte man uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, schilderte sie die Nachricht von der Schließung ihres Arbeitsplatzes – und kritisierte die Politik: „Die Krankenkassen haben uns mit einem eindeutigen Votum unterstützt.“ Doch dann habe das Land den geplanten Umzug der Geriatrie von der ebenfalls vor der Schließung stehenden Ohligser St. Lukas Klinik nach Hilden abgelehnt. „Eine politische Entscheidung führt zu 1500 Entlassungen“, folgerte Solmaz sichtlich empört. Dabei könne das Haaner Krankenhaus einen hohen Standard bieten: Mehr als 20 Millionen Euro seien schließlich in die Modernisierung der Abteilungen geflossen – ohne irgendwelche Zuwendungen von Land oder Bund. „Die Politik muss für die Sicherheit der Bürger sorgen“, rief Solmaz – und warnte vor einer Gefährdung der Notfallversorgung.

Auch der niedergelassene Arzt Uwe Griesbach, selbst einst am St. Josef Krankenhaus tätig, betonte, die Ärzteschaft sei in großer Sorge: Die übrigen Krankenhäuser im Umland könnten den Wegfall der Haaner Klinik weder personell, noch räumlich und teilweise auch fachlich nicht auffangen.