Er spricht Recht über junge Straftäter

Jugendrichter Jens-Peter Kröger spricht über junge Straftäter und das erst mit 21 Jahren greifende Erwachsenenstrafrecht.

Foto: Ralph Matzerath

Langenfeld. Jens-Peter Kröger ist Jugendrichter am Amtsgericht Langenfeld. Im Interview spricht er über Unterschiede zwischen Jugend- und Erwachsenenstrafrecht, typische Jugenddelikte und die Bedeutung von Kontinuität in seiner Funktion.

Wie oft sehen Sie eigentlich einen zuvor in anderer Sache Verurteilten wieder auf der Anklagebank?

Jens-Peter Kröger: Es gibt eine Gruppe von Intensivtätern, die regelmäßig wieder kommen und deren Verhalten sich auch nach der Vollendung des 21. Lebensjahres nicht ändert. Das ist aber eine absolute Minderheit. Der großen Mehrzahl reicht die Erfahrung, einmal vor Gericht gestanden zu haben. In den meisten Fällen endet die Straffälligkeit mit Veränderungen der Lebensumstände, wie der Ausbildung oder dem Einstieg ins Berufs-leben.

Von welchen Straftaten sprechen wir?

Kröger: Bei denen, die nur einmalig vor Gericht stehen, geht es zumeist um Kleinkriminalität, vom Ladendiebstahl über Leistungserschleichungen wie Schwarzfahren bis zu leichteren Fällen von Körperverletzung.

Lassen sich bestimmte Milieus oder soziale Hintergründe gehäuft ausfindig machen?

Kröger: Kriminalität wird nicht weitergegeben. Aber sie liegt unter Umständen näher, etwa, wenn Kinder aus ihrem Umfeld mitbekommen, dass man Probleme mit Gewalt löst. Inkomplette Elternhäuser begünstigen tendenziell Jugenddelinquenz. Auch sind Gymnasiasten unter den Angeklagten eher die Ausnahme. Dennoch hat die Kriminalität zumeist nichts mit dem Elternhaus zu tun: Bei Ladendiebstählen steht zum Beispiel in der Regel mehr eine Art sportliches Interesse als der Wert der Waren im Vordergrund. Diese zu bezahlen wäre für die meisten jugendlichen Diebe kein Problem.

Welche Rolle spielt Drogenkriminalität?

Kröger: Eine große. Cannabis steht dabei aktuell ganz klar im Mittelpunkt. Zuvor war es darum eine Zeitlang ruhig geworden, davor gab es wiederholt Fälle im Zusammenhang mit harten Drogen wie Heroin, die momentan eine geringe Rolle spielen.

Oft hört man, die Hemmschwelle bei Gewalttaten sinke. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen?

Kröger: Das gibt die Statistik nicht her. Gewisse Auswüchse erlebt man überall. Ich kann nicht ausschließen, dass es die früher genauso gegeben hat.

Wo liegen entscheidende Unterschiede zwischen Jugend- und Erwachsenenstrafrecht?

Kröger: Der wesentliche Unterschied ist der Faktor Erziehung. Erwachsene werden bestraft, Jugendliche erzogen. Der Grundgedanke des Jugendstrafrechts ist, dass das Erwachsenenstrafrecht ab 18 zu früh kommt. Die Entwicklung ist oft noch nicht abgeschlossen. Die Anwendung von Jugendstrafrecht soll laut Gesetzgeber im Alter der Heranwachsenden die Ausnahme sein, in der Praxis dreht sich dieses Verhältnis aber herum, weil die Delinquenz aus dem Jugendalter mitgenommen wird.

Welche Sanktionen kommen dabei am häufigsten vor?

Kröger: Bei Schülern sind es zum Beispiel oft Arbeitsstunden, bei Auszubildenden auch Geldbußen. In speziellen Fällen verhängen wir die Teilnahme an Trainingskursen für die Einübung sozialen Verhaltens. Darin geht es etwa darum, Aggressionen abzubauen und zu lernen, wie man sich mit anderen Menschen verständigen kann, ohne sie gleich mit den Fäusten anzugreifen.

Wann kommen Maßnahmen wie etwa ein Jugendarrest in Betracht?

Kröger: So etwas kann zum Tragen kommen, wenn die bereits verhängten Maßnahmen nicht zu einem Umdenken geführt haben.

An welchem Punkt fällt die Entscheidung, ob Sie als Jugendrichter zuständig sind?

Kröger: Ich bin zunächst immer zuständig, wenn der Angeklagte sein 21. Lebensjahr nicht vollendet hat.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe?

Kröger: Ihre Mitwirkung am Verfahren ist verpflichtend. Das Jugendamt ist auch für die Vollstreckung des Urteils zuständig. Daher werden viele Maßnahmen mit den Angeklagten und den Familien vorbesprochen, denn eine Akzeptanz der Entscheidungen ist sehr wichtig. Ich bin zwar nicht an die Anregungen der Jugendgerichtshilfe gebunden, arbeite aber absolut vertrauensvoll — und vielfach seit etlichen Jahren — mit ihren Mitarbeitern zusammen. Man kennt sich und weiß die jeweils andere Seite gut einzuschätzen.

Wie sind Sie überhaupt zum Jugendrichter geworden?

Kröger: Früher hieß es, der Jugendrichter müsse pädagogisch erfahren und seit mindestens einem Jahr im Dienst sein. Später, als das Thema Jugendkriminalität hochkochte, schuf man Voraussetzungen mit speziellen Kursen. In meinem Falle war es so, dass ein älterer Kollege aufhörte und das Dezernat frei wurde. Man wird sicherlich nicht Jugendrichter wider Willen. Ich mache das jetzt seit fast 25 Jahren. Kontinuität ist sehr wichtig, weil die Aufgabe keine häufigen Wechsel verträgt. Mittlerweile kommen bereits Kinder früherer Angeklagter, und die Eltern sagen dann zu mir: Sie haben mich damals fair behandelt.