Halb Hilden lag in der Schale
Im Büro von Olaf Tkotsch hat die alte Babywaage der Biermann-Klinik einen Ehrenplatz.
Hilden. "Das ist schon ein mächtiges Stück Stadtgeschichte", sagt Olaf Tkotsch (40). Der Verwaltungsdirektor der Capio Klinik im Park zeigt dabei auf die Waage in seinem Büro. "Das gute Stück stammt aus den 1950er-Jahren und stand früher in der Frauenklinik, unserer Vorgängereinrichtung. 30 Jahre lang wurden auf ihr die Neugeborenen gewogen. Wir schätzen, dass es bis zu 30.000 Babys waren. Da dürfte halb Hilden drauf gelegen haben - wobei allerdings das Einzugsgebiet der damaligen Biermann-Klinik weit über die Stadtgrenzen hinaus ging."
Etwa 30 Kilogramm bringt das wuchtige Messgerät selbst auf die Waage - ein schwerer Brocken im schlichten Krankenhaus-Weiß, der auch in einer Metzgerei zum Abwiegen von Rinder- und Schweinefilets stehen könnte. "Nicht lachen - aber zuletzt lagen in ihrer Schale tatsächlich keine Babys mehr, sondern Gehacktes, Obst, Gemüse und Fisch", sagt Tkotsch schmunzelnd. "Nach dem Rückzug der Frauenklinik und dem Einzug unseres Venenzentrum ist die Waage 1984 irgendwie in der Küche gelandet. Wahrscheinlich lag es daran, dass nach dem Klinik-Auszug einiges an Inventar zurückblieb. Und da in der Küche offensichtlich Bedarf herrschte..."
Bis vor kurzem ahnte allerdings kein Mensch, welch ein Kleinod der Hildener Stadtgeschichte dort - zwischen Töpfen, Pfannen und Kartoffeleimern - sein Dasein fristete. "Erst, als wir im vergangenen Jahr mit der Küche vom Souterrain ins Erdgeschoss unserer alten Fabrikantenvilla zogen, fragte mich unser Chefkoch Klaus Weber, was denn mit der alten Babywaage werden sollte", sagt Tkotsch.
Welche Hildener zwischen 1955 - dem Gründungsjahr der Frauenklinik - und 1984 ihre ersten Schreie in der silbrig glänzenden Waagschale taten, lässt sich laut Tkotsch nicht mehr ausmachen. "Ich weiß allerdings, dass der Schriftsteller Oliver Pautsch unmittelbar nach seiner Geburt 1965 Bekanntschaft mit dem Gerät gemacht hat. Das hat er mir mal hier in meinem Büro erzählt, nachdem ich ihm die Waage gezeigt hatte." Auch Tkotschs Sekretärin Sonja Hengst kennt das eiserne Ungetüm mit der großen runden Anzeige. "Ich habe 1955 auch darin gelegen", sagt sie - damals hieß sie noch Sonja Haas.
Mittlerweile ist auch Wolfgang Antweiler, Stadtarchivar und Leiter des Wilhelm-Fabry-Museums, auf die Waage aufmerksam geworden. "Er hätte sie natürlich am liebsten in seinem Bestand", sagt Tkotsch, der in Bergisch Gladbach zur Welt kam: "Leihweise - zum Beispiel für eine Ausstellung - würde ich sie ja abgeben. Aber auf Dauer? Keine Chance: Sie bleibt auf ihrem Ehrenplatz in meinem Büro. Schließlich ist sie nicht nur ein Stück Hildener Stadtgeschichte, sondern insbesondere ein Stück Geschichte unseres Hauses."