Hilden: Zweiter Weltkrieg - Dem Schicksal auf der Spur

Petra Burgsmüller vom Stadtarchiv deckt die Hintergründe vermisster Hildener Wehrmachtssoldaten auf.

Hilden. "Liebes Frauchen", beginnt Johann Stifft seinen Brief. Mit kritzeliger Handschrift berichtet der Grenadier am 8. Oktober 1943 per Feldpost von seiner Kompanie und den schweren Tagen in Russland.

Der Hildener schreibt vom "verdammten Krieg" und lässt die Eltern und seine drei Kinder grüßen.

Das ist das letzte Lebenszeichen, das seine Familie von ihm erhält. Fünf Tage später stirbt er durch einen Kopfschuss. Wo er begraben ist, konnte nicht geklärt werden. Bisher.

Das kann sich aber ändern, denn 65 Jahre danach sitzt Petra Burgsmüller im Stadtarchiv Hilden am Schreibtisch und puzzelt die Schicksale hunderter Hildener Wehrmachtssoldaten zusammen.

Rund 1500 gebürtige oder in Hilden lebende Männer wurden im Zweiten Weltkrieg getötet oder gelten als vermisst.

Bis heute fragen sich die Angehörigen, was aus ihren Männern, Brüdern, Vätern und Großvätern geworden ist. Noch etwa 400 Schicksale sind ungeklärt.

Aus unzähligen vergilbten Briefen, alten Urkunden und Erklärungen sammelt Petra Burgsmüller mühsam alle Informationen über die Vermissten zusammen.

Mit Hilfe von alten Akten aus dem Bestand des Stadtarchivs und mit Daten des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge und des Evangelischen Gemeindearchivs in Hilden bastelt sie Stück für Stück die Hintergründe der letzten Wochen, Tage und Momente der Männer zusammen.

Die Ergebnisse kommen mit den Fotos in eine Computer-Datenbank, die auf einen Klick die letzten Geheimnisse der Soldaten preis gibt.

"Ich will nicht nur den Wehrmachtssoldaten darstellen, sondern den ganzen Menschen, der hinter dem einzelnen Datensatz steht", sagt Burgsmüller und zeigt die Datei von Johann Stifft, die auch verrät, dass er in der Hildener Schachgemeinschaft war.

Nach und nach werden diese Daten nun auf die Internetseite des Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge gestellt, damit sie für jeden zugänglich sind.

Der Zufall hat Petra Burgsmüller zu diesem Projekt gebracht. Vor einem Jahr bekam sie eine Anfrage der Deutschen Dienststelle (ehemals Wehrmachtsauskunftsstelle).

Die suchte einen Angehörigen eines Soldaten, den man in einem osteuropäischen Massengrab gefunden hatte. Burgsmüller fand heraus, dass sein einziger Verwandter bereits vor Jahren gestorben war.

"Wie schrecklich. Dieser Mensch hat niemals erfahren, was mit seinem Angehörigen geschehen ist", sagt Burgsmüller.

Diese Geschichte hat sie so sehr beschäftigt, dass sie in der Online-Datenbank des Volksbundes den Suchbegriff Hilden eingegeben hat - und prompt mehr als 1000 Ergebnisse auf ihrem Bildschirm auftauchten.

"Da habe ich meinem Chef vorgeschlagen, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen."

Das ist leichter gesagt als getan. Um Feldpost-Adressen zu verstehen und die Hintergründe von Routenplänen zu begreifen, liest die engagierte 48-Jährige in ihrer Freizeit Fachbücher.

Sie vergleicht Akten, forscht im Internet und wertet neue Ergebnisse aus. "Immer mehr Ost-Archive werden geöffnet und bringen neue Informationen.

Und immer wieder werden neue Massengräber entdeckt", sagt Burgsmüller. Erst im Mai hat man in Russland unter einem Fußballfeld die toten Körper von rund 1000 Deutschen gefunden.

Antrieb für die kniffelige Arbeit bekommt Burgsmüller von Besuchern, die immer wieder mal im Stadtarchiv nach Informationen über Verwandte fragen.

Nicht immer kann sie helfen, denn langsam kommt sie an ihre Grenzen. Jede kleine Notiz ist ausgewertet. "Wir benötigen neues Material.

Oft liegen wichtige Dokumente bei den Leuten unbeachtet in einer Schublade oder auf dem Dachstuhl."

Deshalb hofft sie, dass die Hildener ihr weitere Fotos und Urkunden bringen. Vielleicht können dann auch noch die restlichen Schicksale Hildener Männer geklärt und auch die Grabstelle von Johann Stifft gefunden werden.