Jugendaktion zu körperlicher Behinderung: „Menschen sind verschieden“
Einen Tag lang versetzen sich Kinder in die Lage ihrer behinderten Mitschüler.
Langenfeld. „Wir sind jetzt auf der Auffahrt zur Schule, gleich biegen wir nach rechts ab und sind zurück auf dem Schulhof.“ Janick sitzt mit verbundenen Augen auf einem Tandem.
Obwohl er nichts sieht, kann er sich durch die Erklärungen von Josef Ruppel, hinter dem er sitzt, orientieren.
Tandemfahrer Ruppel steuert das Zwei-Personen-Fahrrad, Janick tritt in die Pedale. „Ich fand es ganz leicht und hatte überhaupt keine Angst“, sagt der Drittklässler anschließend.
Es ist ein „Ganz normaler Tag“ an der Grundschule am Götscher Weg. Die Elisabeth und Bernhard Weik Stiftung ist mit Sack und Pack angereist, um mit Schülern, Lehrern und Eltern gemeinsam den Schulalltag zu gestalten und darzustellen, wie es ist, mit und ohne Handicap zu leben. „Wir sind froh, bereits zum zweiten Mal hier zu sein und wieder mit neuen Schülern zu arbeiten“, sagt Bernhard Weik.
Insgesamt zehn Stationen durchlaufen die Kinder klassenweise, an denen sie erleben können wie es ist, eine Behinderung zu haben. Mit verbundenen Augen Tandemfahren oder Dosenwerfen soll den Schülern die Problematik des Blindseins aufzeigen. Mit schweren Gewichtswesten und -manschetten behangen durchklettern die Kleinen einen Parcours, so als hätten sie starkes Übergewicht.
In den Klassenräumen lernen sie Gebärdensprache, das Gehen mit einer Gehhilfe und auch wie schwierig es ist, ohne Arme Dinge des Alltags zu bewältigen. In der Turnhalle dürfen die Kinder das Rollstuhlfahren ausprobieren.
„Ziel ist, dass alle nachhaltig erkennen, dass Menschen eben verschieden sind und dass dies ganz normal oder sogar eine Bereicherung für unsere Erfahrungen miteinander ist“, sagt Schulleiterin Lydia Jüschke. Bernhard Weik kann von positiven Rückmeldungen der Eltern berichten: „Ich habe schon Anrufe bekommen, dass Kinder nicht mehr gehänselt werden, seit es den ganz normalen Tag gibt.“
Geplant war der Aktionstag zunächst nur in Langenfeld. Bald gabe es jedoch Anfragen aus Hilden. Nach und nach meldeten sich Mettmann, Wülfrath und Monheim bei dem 76-jährigen Stiftungsleiter. Mittlerweile gibt es Anfragen aus dem gesamten Kreis Mettmann und den „Ganz normalen Tag“ an insgesamt 32 Schulen.
Der Aktionstag ist in seinem Umfang bis heute einzigartig in der Region. Ohne ein großes Team, das die einzelnen Stationen betreut und mit den Kindern arbeitet, wäre das alles nicht möglich, betont Weik: „Für mich sind die Tandemfahrer heute die Helden, die auch im Regen tapfer weiter gefahren sind.“