Mobilfunkanbieter verkauft Smartphone an Demenzkranke
Eine 80 Jahre alte Seniorin schließt einen Vertrag mit einer 1,5 Gigabyte Datenflat ab. Doch mit dieser kann sie gar nichts anfangen.
Mettmann. Das neue Samsung Smartphone S 5 liegt bei der Mettmannerin Elfriede M. (Name geändert) noch originalverpackt im Schrank. Die 80 Jahre alte Seniorin kann mit dem kleinen Bildschirm, auf den man tippen und wischen muss, überhaupt nichts anfangen. Auch mit Apps wie Facebook oder WhatsApp hat die alte Dame nichts am Hut. Elfriede M. leidet an Alzheimer und ist in den vergangenen Wochen sehr vergesslich geworden.
Rückblende: Schon seit mehr als zehn Jahren nutzt Elfriede M. ein Mobiltelefon, mit dem sie ab und zu ihren Sohn anruft. Die Rentnerin zahlt für jede Minute, die sie telefoniert. „Das war aber nie ein Problem, da sie eh nicht viel telefoniert hat“, sagt ihr Sohn Dieter M. (Name geändert).
Bislang brauchte Elfriede M. auf ihrem sogenannten „Seniorenhandy“ nur drei Tasten zu drücken, um ihren Sohn zu erreichen. Die Nummer war programmiert, es genügten wenige Handgriffe. Als das Seniorenhandy vor wenigen Wochen nicht mehr funktionierte, besuchte sie den Vodafone-Handy-Shop in Mettmann, um sich ein neues zu kaufen. Nach Angaben ihres Sohnes verließ die alte Dame den Laden mit dem neuen Samsung-Smartphone. Inclusive war ein 1,5 GB Datentarif, das Gesamtpakt sollte 35 Euro im Monat kosten. Der neue Vertrag löste aber nicht den bestehenden ab, sondern kam noch oben drauf. „Meine Mutter findet das nicht so schlimm, so hat sie ein Handy für zu Hause und eins für unterwegs. Sie ist überzeugt, dass sie umsonst telefoniert, sie hat ja eine Flatrate, und hat ihren vier Enkelinnen angeboten, ihnen auch ein solches Handy zum Kostenlos-Telefonieren zu besorgen“, sagt ihr Sohn Dieter M.
Doch das mitgelieferte Samsung-Smartphone kann die Seniorin nicht benutzen, weil sie mit der Technik nicht klar kommt. Die golden glänzende SIM-Karte hat die alte Dame direkt in den Safe gelegt. Dieter M. wirft den Mitarbeitern des Handy-Shops nicht vor, um die Alzheimer-Erkrankung der alten Dame gewusst zu haben. „Manche an Alzheimer erkrankte Menschen sind wahre Blender und können ihre Krankheit gut kaschieren“, sagt Dieter M.
Dieter M. wirft den Angestellten aber vor, dass sie mit ein paar Fragen schnell heraus gefunden hätten, dass seine Mutter keine 1,5 Gigabyte Datenvolumen im Monat braucht. Ihm geht es um eine fehlende bedarfsgerechte Beratung. Man hätte seiner Mutter auch einfach mal ein Smartphone in die Hand drücken können, um zu sehen, ob sie damit zurecht kommt. Wenig später versuchte Dieter M. den Vertrag wieder zu kündigen.
„Der Dame an der Hotline war die Sache auch sehr unangenehm“, sagt Dieter M. Sie habe sich entschuldigt und eine Fax-Nummer zur sofortigen Stornierung weiter gegeben. Das war im Oktober. Seither hat Dieter M. Faxe und ein Einschreiben geschickt, außerdem ein ärztliches Attest und seine Vorsorgevollmacht. Als Dieter M. die Lastschriften zurück buchen ließ, kam eine Mahnung über 128,97 Euro. „Ich konnte meine Mutter nur mit Mühe davon abhalten, gleich loszulaufen, um den Betrag im Shop bar zu bezahlen“, berichtet Dieter M. Nun befürchtet seine Mutter, dass ihr Handy gesperrt wird und womöglich das Festnetz gleich mit.
Das sagt der Mobilfunkanbieter zu dem Fall: „Nach Angaben des Angestellten unserer Partneragentur kam die alte Dame in den Laden und hat sehr gezielt nach einem Smartphone und einem bestimmten Tarif gefragt“, sagt Volker Petendorf, Pressesprecher von Vodafone in Düsseldorf. Sie habe keinesfalls den Eindruck erweckt, dass sie sich damit nicht auskenne, so Petendorf. Vielmehr habe sie sehr glaubwürdig davon gesprochen, dass das Modell ein Geschenk für ihre Enkelin sein könnte. Das Kunden-Center von Vodafone hat gestern Kontakt mit dem Sohn der alten Dame aufgenommen und den abgeschlossenen Vertrag storniert. „Es ist bislang auch noch nichts bezahlt worden“, sagt Petendorf. Darüber hinaus kann die alte Dame ihren alten Vertrag zu den bisherigen Konditionen weiter nutzen. „Wir schenken ihr jetzt ein seniorengerechtes Handy“, sagt Petendorf.