Weihnachten schenkt Liebe
Das Fest der Liebe — so sollte es heute sein. Was jeder tun kann, damit es eine friedvolle Veranstaltung im Familienbund wird, verrät ein Psychiater.
Mettmann. Der Schnee rieselt leise, auf dem schön gedeckten Tisch dampft ein Traumessen wie vom Profikoch gezaubert und die Familie liegt einander wohlgesonnen in den Armen. So friedvoll-kitschig geht es nicht einmal im Märchenbuch zu. Und die Realität stellt sich ebenfalls anders dar. Wie das Fest gründlich daneben gehen kann, zeigte Loriot in „Weihnachten bei Hoppenstedts“ auf köstliche Art und Weise im Zusammenspiel mit Evelyn Hamann, Katja Bogdanski und Heinz Meier.
Harald Brauer, Psychiater
„Es gibt drei Gründe, warum ein solches Familienfest Sprengstoff birgt“, sagt Harald Brauer, Neurologe und Psychiater aus Mettmann: Die Erwartungshaltung ist zu hoch und die Leute müssen aus einer im Vorfeld aufgebauten Stresssituation quasi von hundert auf null entschleunigen, nennt der Arzt zwei wesentliche Faktoren. Zudem wird das Fest falsch geplant und zu wenig strukturiert. „Oft wissen sehr unterschiedliche Charaktere wenig miteinander anzufangen“, so kommt es zu dem, was der Fachmann „psychologische Zeitdehnung“ und der Laie Langeweile nennt.
Im Vorfeld rät der Psychiater, „ab sofort“ die Tagesgestaltung zu verändern, nicht mehr jeden Adventsmarkt zu besuchen, noch mal eben die Steuererklärung zu machen und zwischendurch unendlich viele Besuche zu absolvieren, zu denen man in den vergangenen elf Monaten nicht kam. Nach dem Goethe-Motto „Freunde, flieht die Kammer“ ist es empfehlenswert, raus zu gehen, sich zu bewegen. „Das macht den Kopf frei.“ Entschleunigung bedeutet, zu lernen, mit Kompromissen zu leben, sagt Brauer.
Rituale sind stabilisierend für den Festtag. Auch hilft es, die gemeinsame Zeit zu begrenzen. „Es ist Quatsch, vom Kaffeetrinken bis zum Gute-Nacht-Kuss seine Zeit miteinander zu verbringen. Richtige Absprachen zu treffen, entkrampft. Die Dinge klar anzusprechen, hilft allen Beteiligten.“
Aktivitäten wie ein Spaziergang schaffen Rückzugsmöglichkeiten. Außerdem gilt es im Beieinandersein brisante Themen zu vermeiden. Politik zum Beispiel, aber auch die Vergangenheit. „Denn die Sicht auf die Dinge ist sehr unterschiedlich.“ Das schafft Konfliktpotenzial. Die „paradoxe Intervention“ übrigens ist eine „sublime Variante der Streitvermeidung durch überraschende Bestätigung“. Wichtig sei, sich „nicht zum Spielball zu machen. Sonst lässt sich die Eskalation nicht vermeiden.“
Außerdem muss keiner zwanghaft besinnlich sein. Und gibt es im gemischten Ensemble der Verwandtschaft ohnehin ein gespanntes Verhältnis, kann die Einladung guter Freunde diese Anspannung auflockern. Das Wichtigste aber ist, nicht zu viel zu erwarten, locker zu bleiben und im Zweifelsfall mit Brecht zu denken: „Wie alles geht auch das vorbei.“